Wie man einen verdammt guten Roman schreibt
SZENE EINE UNERHÖRT
INTERESSANTE MACHT
Die folgende Situation hat man schon oft gelesen: Ein Kriminalbeamter trifft am Tatort eines Mordes ein und spricht mit dem Gerichtsmediziner:
Lieutenant Fisk hielt vor dem Haus in der Vermont Street und stieg aus seinem Wagen. Er ging die Stufen zur Haustür hoch und klingelte. Einen Augenblick später öffnete das Hausmädchen die Tür und führte den Lieutenant in den Wintergarten an der Rückseite des Hauses, wo der Gerichtsmediziner wartete. Der Gerichtsmediziner stellte sich als Herman Trippet vor, und beide Männer gaben sich die Hand.
»Wo ist die Leiche?« fragte Lieutenant Fisk.
»Gleich hier drüben«, sagte Trippet. Er war ein großer schwerer Mann mit einem kleinen dunklen Schnurrbart.
Das Mädchen entfernte sich.
Trippet zeigte dem Lieutenant die Stelle hinter der Couch, wo die Leiche unter einem weißen Tuch lag.
»Lassen Sie mal sehen«, sagte Fisk.
»Ist kein schöner Anblick.«
Trippet zog das Laken zurück und enthüllte die Leiche einer Frau Anfang dreißig. Ihr war die Kehle durchgeschnitten worden.
»Wie lange ist sie tot?« fragte Fisk.
»Zwei, vielleicht drei Stunden.«
»Anzeichen für einen Kampf?«
»Nein.«
»Okay, wann können Sie mir Ihren ausführlichen Bericht geben?« »Morgen früh gegen acht liegt er auf Ihrem Schreibtisch.«
Fisk sagte: »Haben Sie die Tatwaffe gefunden?«
»Nein.«
»Ist die Spurensicherung unterwegs?«
»Die sollten schon vor einer Stunde hier sein.«
»Lassen Sie die Leiche hier liegen, bis sie da sind. Ich rede mit dem Mädchen.« »Gut, Lieutenant.«
In dieser erbärmlich geschriebenen Szene gibt es keinen Konflikt, nichts, was man nicht schon hundertmal so oder so ähnlich gelesen hätte; die Figuren sind stereotyp. Die Szene könnte aus einer dieser Polizeiserien im Fernsehen stammen. Hinzukommt, daß sie keine Farbe und keinen Pep hat. Wir wollen uns zuerst mal ansehen, was es ausmacht, wenn man die Szene mit etwas Konfliktstoff versieht. Wir fangen da an, wo der Lieutenant den Wintergarten betritt:
»Ich heiße Fisk«, sagte der Lieutenant. Er machte sich nicht die Mühe, dem jungen Mann die Hand hinzuhalten.
»Trippet«, sagte Trippet.
»Sie sind neu?« fragte Fisk.
»Ich bin schon einige Zeit dabei.«
»Und wieso habe ich Sie noch nie gesehen?«
»Ich war die meiste Zeit draußen im Valley.«
»Trotzdem müßte ich von Ihnen gehört haben, wenn Sie gut wären.« »Das bin ich.« Der Lieutenant wandte sich dem Mädchen zu.
»Falls ich Sie brauche, lasse ich Sie rufen, Schätzchen.« Das Mädchen nickte und verließ das Zimmer. »Wo ist die Leiche, Trippet?« »Hinter der Couch.« Der Lieutenant sah hinter die Couch. »Haben Sie sie so gefunden? Mit dem Laken drüber?« »Das mit dem Laken war ich.« »Ich mag das nicht, wenn am Tatort irgendwas verändert wird. Nehmen Sie das Laken weg.« Trippet entfernte das Laken, und der Lieutenant sah sich die Wunde am Hals der Toten an. »Was ist mit der Todeszeit, Trippet?«
»Ich würde sagen, vor zwei bis drei Stunden.« Der Lieutenant machte sich eine Zigarette an. »Haben Sie nicht gesagt, daß Sie gut sind.«
»Morgen früh kann ich Ihnen sagen, was sie zum Frühstück hatte und wann sie das letzte Mal auf dem Klo war.«
»Okay, Trippet, da freue ich mich drauf. Das tu ich besonders gern, mich auf was freuen. Wo zum Teufel bleiben die Kerle von der Spurensicherung?«
»Gerufen hat man sie, mehr weiß ich auch nicht.«
»Melden Sie sich über Funk und sagen Sie, ich gebe ihnen fünf Minuten. Wenn sie dann nicht hier sind, gibt es echten Ärger.«
»Okay.«
Das ist schon besser, weil sich die Figuren in einem Konflikt befinden, aber der Dialog ist immer noch zu direkt. Hier ist eine Neufassung, wieder von der Stelle an, wo der Lieutenant den Gerichtsmediziner begrüßt. »Fisk«, sagte Fisk.
»Trippet«, antwortete der andere. [Direkter Dialog.]
Der Lieutenant wandte sich an das Mädchen.
»Stehen hier nicht irgendwo Sachen rum, die abgestaubt werden müßten?« [Indirekt - Übersetzung: Hauen Sie ab.] Das Mädchen verließ rasch das Zimmer. Der
Lieutenant wandte sich an Trippet. »Wo ist Hennessy?« [Indirekt - Übersetzung: Was tun Sie hier?] »Hennessy hat letzten Freitag seine goldene Uhr bekommen.«
[Er ist pensioniert worden.]
»Sieht so aus, als hätten sie
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