Wie man Freunde gewinnt
bißchen auftaute, dann wäre er bei weitem nicht so zugänglich gewesen.»
Frage: Bewährt sich diese Taktik auch im Geschäftsleben?
Ein Beispiel aus der Praxis dürfte darauf am deutlichsten antworten. Nehmen wir einmal den Fall von Henry Duvernoy von der Firma Duvernoy & Sons, einer Großbäckerei in New York.
Mr. Duvernoy hatte lange Zeit versucht, einem bestimmten Hotel in New York Brot zu verkaufen. Vier Jahre lang hatte er den Hoteldirektor jede Woche angerufen. Er hatte dieselben gesellschaftlichen Anlässe besucht wie dieser, ja, er hatte sogar ein Zimmer in dessen Hotel gemietet und eine Zeitlang dort gewohnt, um mit dem Mann ins Geschäft zu kommen. Alles umsonst.
Doch lassen wir Mr. Duvernoy selbst erzählen. «Nachdem ich mich eingehend mit dem Studium der menschlichen
Kontaktpflege befaßt hatte, beschloß ich, meine Taktik zu ändern. Zuerst einmal mußte ich herausfinden, wofür sich dieser Mann interessierte, wodurch man seine Aufmerksamkeit gewinnen konnte.
Ich erfuhr, daß er Mitglied einer Vereinigung von Hoteliers war, die sich ‹Hotel Greeters of America› nennt. Er war nicht nur Mitglied, sondern so aktiv und mit Überzeugung in diesem
-121-
Verein tätig, daß man ihn zum Präsidenten der nationalen sowohl wie der internationalen ‹Hotel Greeters› ernannt hatte.
Er nahm an jeder Zusammenkunft teil, wo immer sie stattfinden mochte.
Als ich ihm anderntags begegnete, brachte ich das Gespräch auf die ‹Greeters›. Seine Reaktion hätten Sie sehen sollen. Er erzählte mir eine halbe Stunde lang begeistert von dieser Vereinigung und ihrem Zweck und Ziel. Diese Organisation war ganz offenkundig sein Steckenpferd. Ehe ich das Hotel verließ, hatte er mir eine Mitgliedskarte ‹verkauft›.
Über mein Brot hatte ich indessen kein Wort verloren.
Wenige Tage später rief mich jedoch sein Sekretär an und bat mich, mit Proben und Preisliste vorbeizukommen.
‹Ich weiß nicht, was Sie mit unserem alten Herrn gemacht haben›, begrüßte er mich. ‹Er hält jedenfalls große Stücke auf Sie.›
Dabei hatte ich vier Jahre lang erfolglos auf diesem Mann herumgehackt, um mit ihm ins Geschäft zu kommen - und ich würde wahrscheinlich heute noch auf ihm herumhacken und mit ebensowenig Erfolg, wenn ich mir nicht die Mühe genommen hätte, herauszufinden, was ihn interessiert und worüber er gerne spricht.
Edward Harriman aus Hagerstown, Maryland, beschloß, nach seinem Militärdienst in das besonders hübsche Cumberland Valley zu ziehen. Leider gab es damals in jener Gegend nur sehr wenig Arbeit. Einige Erkundigungen führten ihn zum Schluß, daß eine ganze Reihe von Firmen im Besitz oder unter der Leitung eines eher ungewöhnlichen Einzelgängers stand. Dieser Mann, R. J. Funkhouser, war aus Armut zu Reichtum aufgestiegen. Er besaß den Ruf, für Arbeitsuchende unzugänglich zu sein.
«Ich sprach mit verschiedenen Leuten», schrieb Mr.
Harriman, «und fand dabei heraus, daß sein Hauptinteresse
-122-
seinem Aufstieg zu Macht und Reichtum galt. Da er Stellenlose wie mich durch eine strenge Sekretärin abwimmeln ließ, studierte ich erst einmal die Wünsche und Neigungen dieser Dame, ehe ich mich zu einem Überraschungsbesuch in ihrem Büro aufmachte.
Sie hatte Mr. Funkhouser seit fünfzehn Jahren wie ein Satellit umkreist, und als ich ihr sagte, ich hätte ihm einen Vorschlag zu unterbreiten, der ihm finanziell und politisch Gewinn bringen würde, horchte sie auf. Ich unterhielt mich auch mit ihr über die Bedeutung ihres aktiven Beitrags zu seinem Erfolg, worauf sie für mich eine Besprechung mit Mr. Funkhouser arrangierte.
Als ich das große, eindrucksvolle Büro dieses Herrn betrat, bat ich nicht gleich um eine Stelle. Mr. Funkhouser saß hinter einem gewaltigen, geschnitzten Schreibtisch und donnerte los:
‹Was wollen Sie von mir, junger Mann?› - ‹Ich glaube, Sie könnten durch mich Geld verdienen, Mr. Funkhouser›, gab ich zur Antwort, worauf er sich sogleich erhob und mich bat, in einem der großen Polstersessel Platz zu nehmen. Ich erzählte ihm von meinen Vorschlägen sowie meinen Fähigkeiten, diese entsprechend zu realisieren und dadurch seinen persönlichen und geschäftlichen Erfolg zu vermehren.
‹R. J.›, wie ich ihn später nannte, stellte mich unverzüglich ein, und seit jenem Tag habe ich zwanzig Jahre lang in seinen Unternehmen Karriere gemacht, und wir haben davon beide profitiert.»
Die Interessen des andern hervorzuheben, macht sich für beide
Weitere Kostenlose Bücher