Wie man Freunde gewinnt
starb, hinterließ er das Vermögen eines Multimillionärs. Aber wer weiß, ob er nicht arm und unbekannt gestorben wäre, hätte er nicht in einer Abhandlung seine Bewunderung für einen berühmten Mann zum Ausdruck gebracht.
So groß und gewaltig ist die Macht aufrichtiger, von Herzen kommender Anerkennung.
Rossetti hielt sich selber für bedeutend. Das ist weiter nicht verwunderlich. Fast jedermann hält sich selber für bedeutend, sehr bedeutend sogar.
Das Leben zahlreicher Menschen könnte geändert werden, wenn ihnen nur jemand das Gefühl von Bedeutung gäbe. Ronald Rowland, einer unserer Kursleiter in Kalifornien, ist gleichzeitig Lehrer an einer Schule für Kunstgewerbe. In einer Klasse von Anfängern hatte er einen Schüler namens Chris. Von ihm schreibt Mr. Rowland:
«Chris war ein sehr stiller und schüchterner Junge, einer jener Schüler, die so oft nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie
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verdienen. Ich unterrichte außer Anfängern auch eine Klasse von Fortgeschrittenen, und es gilt als eine Art Privileg und besondere Auszeichnung, wenn ein Schüler in diese Klasse aufgenommen wird.
Als ich Chris eines Mittwochs wieder so fleißig und hingebungsvoll an der Arbeit sah, hatte ich das bestimmte Gefühl, daß tief in seinem Innern verborgene Kräfte schlummerten. Ich fragte ihn, ob er nicht in die Klasse der Fortgeschrittenen überwechseln möchte. Ich wünschte, ich könnte den Ausdruck auf seinem Gesicht beschreiben, die Gefühle dieses vierzehnjährigen Knaben wiedergeben, der versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
‹Ich, Mr. Rowland? Bin ich denn gut genug?›
‹Ja, Chris, du bist gut genug.›
Mehr vermochte ich nicht zu sagen. Mir standen Tränen in den Augen. Als Chris an jenem Tag die Klasse verließ, sichtlich zehn Zentimeter größer geworden, blickte er mich aus strahlenden Augen an und sagte mit fester Stimme. ‹Danke, Mr.
Rowland.›
Chris hat mich etwas gelehrt, was ich nie mehr vergesse -
unser tiefes Verlangen, bedeutend zu sein. Und damit ich es nie mehr vergesse, habe ich es aufgeschrieben. JEDER IST
BEDEUTEND hängt in großen Buchstaben vorne im
Klassenzimmer, wo alle es lesen und mich daran erinnern können, daß jeder Schüler, dem ich gegenüberstehe, gleichermaßen bedeutend ist.
In Tat und Wahrheit fühlen sich fast alle Menschen, mit denen wir zu tun haben, uns in irgendeiner Weise überlegen, und wenn wir den direktesten Weg zu ihrem Herzen einschlagen wollen, dann geben wir ihnen diskret zu verstehen, daß wir ihre Bedeutung anerkennen - aufrichtig anerkennen.»
Und vergessen Sie nicht, was Emerson gesagt hat: daß jeder Mensch uns auf irgendeinem Gebiet überlegen ist und wir von
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ihm lernen können.
Betrüblich ist nur, daß oft gerade diejenigen, die am wenigsten Grund haben, sich überlegen zu fühlen, ihr Ego aufplustern und ein Gehabe und Getue an den Tag legen, die geradezu abstoßend sind.
Shakespeare schrieb in Maß für Maß: «Der Mensch, der stolze Mensch, in kleine kurze Majestät gekleidet, vergessend, was am mind'sten zu bezweifeln, sein gläsern Element, wie zorn'ge Affen, spielt solchen Wahnsinn gaukelnd vor dem Himmel, daß Engel weinen.»
Einige Beispiele mögen Ihnen zeigen, wie Geschäftsleute, die meine Kurse besuchten, dieses Prinzip mit beachtlichem Erfolg angewendet haben. Zuerst der Fall eines Anwalts aus Connecticut, der aus Rücksicht auf seine Verwandtschaft anonym bleiben möchte.
Kurze Zeit nach seinem Eintritt in meinen Kurs begleitete Mr.
R. seine Frau im Wagen nach Long Island, wo sie einige Verwandte besuchen wollte. Sie ließ ihn zu einem kleinen Schwatz bei einer alten Tante zurück und machte sich selber auf den Weg zu ein paar jüngeren Angehörigen. Da er am nächsten Kurstag darüber referieren mußte, wie, wann und mit welchem Erfolg er das Prinzip der Anerkennung angewendet hatte, nahm er sich vor, am besten gleich in einem Gespräch mit der alten Dame ein paar nützliche Erfahrungen zu sammeln, und sah sich nach etwas um, das er aufrichtig bewundern konnte.
«Dieses Haus wurde so um 1890 gebaut, oder irre ich mich?»
erkundigte er sich.
«Ja», antwortete die Tante, «ganz genau in jenem Jahr.»
«Es erinnert mich an das Haus, in dem ich geboren wurde», sagte er. «Es ist ein sehr schönes Haus, solide gebaut und geräumig. Solche Häuser baut man heute nicht mehr.»
Die alte Dame gab ihm recht. «Den jungen Leuten liegt nichts an schönen Häusern. Sie wollen am liebsten eine
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