Wie man Freunde gewinnt
Vorstellung abzusagen, und wiederum meinte Schaljapin seufzend:
«Kommen Sie doch später noch einmal vorbei. Es kann ja sein, daß es mir dann besser geht.»
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Um halb acht war der große Bassist zwar bereit zu singen, aber nur unter der Bedingung, daß Sol Hurok vor der Vorstellung vor den Vorhang der Metropolitan Opera trete und erkläre, Schaljapin sei sehr stark erkältet gewesen und leider nicht so gut bei Stimme.
Sol Hurok versprach es, obschon er nicht im entferntesten daran dachte, so etwas zu tun. Aber er wußte, daß das die einzige Methode war, um den Bassisten auf die Bühne zu bringen.
Dr. Arthur Gates schreibt in seinem ausgezeichneten Buch über Psychologie in der Erziehung: «Der Mensch sehnt sich ganz allgemein nach Mitgefühl. Jedes Kind macht ein großes Getue um eine kleine Verletzung oder bringt sich sogar absichtlich eine Schnittwunde oder eine Schürfung bei, um genügend Mitgefühl zu erregen.
Aus dem gleichen Grund... zeigen auch Erwachsene gerne ihre Wunden, beschreiben ihre Unfälle und Krankheiten und in erster Linie Einzelheiten medizinischer Eingriffe. Selbstmitleid ist bis zu einem gewissen Grad eine allgemein verbreitete Erscheinung, ob es sich um echtes oder eingebildetes Mißgeschick handelt.»
Merken Sie sich das, wenn Sie andere überzeugen wollen, und handeln Sie danach.
Regel 9 Bringen Sie den Vorschlägen und Wünschen anderer Ihr Wohlwollen entgegen.
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10 Der Appell an das «bessere Ich»
Ich bin am Rande des Jesse-James-Landes in Missouri aufgewachsen und kenne die James-Farm in Kearny, Missouri, wo der Sohn von Jesse James damals wohnte.
Seine Frau hat mir erzählt, wie Jesse Eisenbahnzüge plünderte und Banken ausraubte und das Geld Bauern in der
Nachbarschaft gab, damit sie ihre Hypotheken bezahlen konnten.
Jesse James hielt sich selber vermutlich für einen Idealisten, wie es zwei Generationen später Dutch Schultz, Crowley, AI Capone und noch ein paar Verbrecher-«Paten» taten. Tatsache ist, daß alle Menschen, denen Sie begegnen, eine sehr hohe Meinung von sich selber haben und sich gerne für großmütig und selbstlos halten.
J. Pierpont Morgan erwähnte in einer seiner analytischen Betrachtungen, daß der Mensch meistens aus zwei Gründen etwas tut: aus einem wirklichen und aus einem idealisierten Grund.
Ausschlaggebend ist der wirkliche Grund, das ist ganz klar.
Da wir aber im Herzen alle Idealisten sind, schieben wir lieber edle Motive vor. Deshalb muß man an die edleren Motive im Menschen appellieren, wenn man ihn beeinflussen will.
Befürchten Sie, das sei zu idealistisch, um im Geschäftsleben damit Erfolg zu haben? Nehmen wir einmal den Fall von Hamilton Farrell. Mr. Farrell hatte einen unzufriedenen Mieter, der ihm mit Kündigung drohte. Der Mietvertrag lief aber erst in vier Monaten ab. Trotzdem teilte der Mieter mit, er werde unverzüglich ausziehen, Mietvertrag hin oder her.
«Früher hätte ich mir einen solchen Mieter vorgeknöpft und ihm gesagt, er möchte gefälligst seinen Vertrag genauer lesen.
Ich hätte darauf hingewiesen, daß am Auszugstag die ganze
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restliche Miete fällig würde und ich darauf bestehen könne und dies auch tun würde.
Doch statt über ihn herzufallen und eine große Szene zu machen, entschloß ich mich zu einer andern Taktik. ‹Mr. Doe›, begann ich, ‹ich habe mir Ihre Geschichte angehört, aber ich glaube nicht, daß Sie ausziehen werden. In meinem jahrelangen Umgang mit Mietern hatte ich Gelegenheit, mir einige Menschenkenntnis anzueignen, und ich habe Sie für einen Mann gehalten, der zu seinem Wort steht. Ich bin davon auch heute noch überzeugt und bereit, alles auf diese Karte zu setzen.
Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag. Lassen wir Ihre Kündigung ein paar Tage offen, und denken Sie noch einmal darüber nach. Wenn Sie mir bis zum Ersten des nächsten Monats sagen, daß Sie immer noch entschlossen sind auszuziehen, werde ich Ihre Entscheidung als endgültig annehmen, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Dann lasse ich Sie ziehen und gebe zu, daß ich mich in meinem Urteil über Sie geirrt habe. Ich glaube aber weiterhin, daß Sie ein Mann von Wort sind und den Vertrag einhalten werden!›
Am Monatsende kam der betreffende Herr höchstpersönlich, um die Miete für den nächsten Monat zu bezahlen. Seine Frau und er hätten es sich überlegt und beschlossen zu bleiben. Sie hätten gefunden, es sei nicht mehr als anständig, den Vertrag einzuhalten.»
Als der unterdessen
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