Wie man mit einem Lachs verreist
doppelte Resultat, daß die Notizen verborgen bleiben und daß viele Doktorarbeiten
geschrieben werden, die sich über die sphinxhafte
Undurchdringlichkeit jener Karten verbreiten.
Was die Kongresse betrifft, kann es nützlich sein, präzise testamentarische Verfügungen zu treffen, die im Namen der Menschlichkeit verlangen, daß für jeden Kongreß, der in den ersten zehn Jahren nach dem Tod organisiert wird, die
Veranstalter dreißig Millionen an die Unicef überweisen müssen. Das Geld ist schwer aufzutreiben, und um gegen das Testament zu verstoßen, muß man schon sehr hartgesotten sein.
Komplexer ist die Lage bei den Liebesbriefen. Was die noch zu schreibenden betrifft, so empfehle ich, für sie einen Computer zu benutzen, der die Graphologen narrt, sowie liebevolle Pseudonyme (»dein Katerchen, Biribi, Frettchen«), die man bei jedem/jeder Partner/in wechselt, so daß die Zuweisung fraglich bleibt. Ratsam ist auch, Anspielungen einzufügen, die, wiewohl durchaus leidenschaftlich, für die Adressaten peinlich sind (wie zum Beispiel »Ich liebe auch deine häufigen Darmwinde«), um sie auf diese Weise von einer späteren Publikation abzuhalten.
Die schon geschriebenen Briefe, besonders die aus der
Jugendzeit, sind freilich unkorrigierbar.
Hier empfiehlt sich, die Empfänger aufzuspüren, ihnen ein Schreiben zu schicken, das mit entspannter Heiterkeit
unvergeßliche Tage heraufbeschwört, und ihnen zu
versprechen, die Erinnerung an jene Tage werde so lebendig
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bleiben, daß die Empfänger auch noch nach dem Tod des
Schreibers besucht werden würden, damit diese Erinnerung nicht erlösche. Es funktioniert nicht immer, aber ein Gespenst ist schließlich ein Gespenst, und die Empfänger werden nicht mehr ruhig schlafen.
Man könnte auch ein fiktives Tagebuch führen, in dem man hin und wieder den Gedanken einfließen läßt, daß Freundinnen und Freunde zur Verlogenheit und zur Fälschung neigen: »Was für eine anbetungswürdige Lügnerin, die Adelaide!« oder
»Heute hat mir Gualtiero einen wirklich wunderschönen
falschen Brief von Pessoa gezeigt.«
(1990)
Wie man nicht von Fußball spricht
Ich habe nichts gegen Fußball. Ich gehe nicht in die Stadien aus demselben Grund, aus dem ich nicht nachts zum Schlafen in die Untergeschosse des Mailänder Hauptbahnhofs gehen würde (oder nach sechs Uhr abends in den New Yorker Central Park), aber es kommt vor, daß ich mir ein schönes Spiel mit Interesse und Vergnügen im Fernsehen anschaue, denn ich anerkenne und schätze die Vorzüge dieses noblen Sports. Ich hasse nicht den Fußball. Ich hasse die Fußballfans.
Aber ich möchte nicht mißverstanden werden. Ich hege den Fußballfans gegenüber die gleichen Gefühle, wie sie die Lega Lombarda gegenüber den Afrikanern und Orientalen hegt: »Ich bin kein Rassist, solange diese Leute bei sich zu Hause bleiben.« Und unter »bei sich zu Hause« verstehe ich die Orte, an denen sie sich die Woche über zu treffen belieben (Bars, Familien, Clubs), und die Stadien, bei denen mich nicht interessiert, was in ihnen geschieht, und von mir aus können auch ruhig die Fans aus Liverpool kommen, so daß ich mich dann beim Zeitunglesen vergnüge, denn wenn schon circenses sein müssen, soll wenigstens Blut fließen.
Ich mag den Fußballfan nicht, weil er eine seltsame Eigenart hat: Er kapiert nicht, daß man selbst keiner ist, und beharrt darauf, mit einem so zu reden, als ob man einer wäre. Um zu
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verdeutlichen, was ich meine, gebe ich ein Beispiel. Ich spiele Blockflöte (immer schlechter, wie Luciano Berio öffentlich erklärt hat, und mit solcher Aufmerksamkeit von den Großen Meistern verfolgt zu werden, verschafft mir Genugtuung). Nehmen wir nun an, ich sitze im Zug und will mit dem Herrn gegenüber ein Gespräch anknüpfen.
»Haben Sie die letzte CD von Frans Brüggen gehört?«
»Was, wie?«
»Ich meine die „Pavane Lachryme“. Meiner Meinung nach
nimmt er den Anfang zu langsam.«
»Entschuldigung, ich verstehe nicht.«
»Na, ich meine doch van Eyck, Mann! (Skandierend)
Variationen für So-pran-block-flö-te!«
»Wissen Sie, ich ... Spielt man die mit dem Bogen?«
»Ach so, verstehe, Sie sind kein ...«
»Nein, ich nicht.«
»Komisch. Aber Sie wissen doch sicher, daß man auf eine handgemachte Coolsma drei Jahre warten muß? Da nimmt
man doch lieber eine Moeck aus Ebenholz. Die sind die besten, jedenfalls von denen, die es im Handel gibt. Das hat mir auch Gazzelloni gesagt.
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