Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie man mit einem Lachs verreist

Wie man mit einem Lachs verreist

Titel: Wie man mit einem Lachs verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Hören Sie, kommen Sie bis zur fünften Variation von „Deirdre Doen Daphne D'Over“?«
    »Also eigentlich will ich nach Parma ...«
    »Ah, verstehe, Sie spielen die F und nicht die C. Davon hat man auch mehr. Wissen Sie, ich habe da eine Sonate von
    Loeillet entdeckt, die ...«
    »Löjé wer?«
    »Na, ich möchte Sie mal über den Phantasien von Telemann hören. Spielen Sie die? Sie verwenden doch nicht etwa die deutsche Griffweise?«
    »Ach wissen Sie, die Deutschen, der BMW ist ja ein großartiges Auto, und ich achte sie, aber ...«
    -8 8 -

    »Verstehe, Sie verwenden die barocke Griffweise. Gut. Sehen Sie, neulich hat das Ensemble von Saint-Martin-in-the-Fields
    ...«
    So etwa, vielleicht ist deutlich geworden, was ich meine. Und man wird einverstanden sein, wenn mein verzweifelter
    Reisegefährte sich an die Notbremse klammert. Aber genauso geht es einem mit dem Fußballfan. Die Situation ist besonders heikel, wenn man im Taxi sitzt und der Fahrer anfängt:
    »Haben Sie Vialli gesehen?«
    »Nein, der muß gekommen sein, als ich gerade nicht da war.«
    »Aber heute abend sehen Sie sich das Spiel doch an?«
    »Nein, ich muß mich um das Buch Zet der „Metaphysik“
    kümmern, Sie verstehen, der Stagirit.«
    »Gut, sehen Sie sich's an und sagen's mir dann. Für mich kann Van Basten der Maradona der neunziger Jahre werden, was meinen Sie? Allerdings würde ich Hagi im Auge behalten.«
    Und so weiter, als redete man gegen eine Wand. Und nicht etwa, weil es ihn nicht interessierte, daß ich mich nicht dafür interessiere. Er kann einfach nicht begreifen, daß es Leute gibt, die sich nicht dafür interessieren. Er würde es auch nicht begreifen, wenn ich drei Augen und zwei Antennen auf den grünen Schuppen des Hinterkopfs hätte. Er hat keinen Begriff von der Diversität, Varietät und Inkomparabilität der Möglichen Welten.
    Ich habe das Beispiel des Taxifahrers genannt,
    aber dasselbe geschieht, wenn der Gesprächspartner zu den herrschenden Klassen gehört. Es ist wie ein Magengeschwür, es trifft arm und reich. Kurios ist freilich, daß Leute, die so ehern davon überzeugt sind, daß alle Menschen gleich seien, dann so schnell bereit sind, dem Fan aus dem Nachbarort den Schädel einzuschlagen. Dieser ökumenische Chauvinismus
    entlockt mir Bewunderungsschreie. Es ist, als ob die Anhänger der Ligen sagten: »Laßt die Afrikaner zu uns kommen. Wir besorgen's ihnen dann.«
    (1990)
    -8 9 -

    Wie man eine Privatbibliothek rechtfertigt
    Seit ich klein war, bin ich meines Nachnamens wegen"
    gewöhnlich zwei (und nur zwei) Arten von Witzen ausgesetzt gewesen, nämlich: »Du bist (Sie sind) derjenige, der immer antwortet« und »Du hallst (Sie hallen) durch die Täler wider.«
    Während der ganzen Kindheit glaubte ich, durch einen
    merkwürdigen Zufall seien alle Leute, denen ich begegnete, Dummköpfe. Dann, in mein hohes Alter gelangt, habe ich mich überzeugen müssen, daß es zwei Gesetze gibt, denen sich kein menschliches Wesen entziehen kann: Die erste Idee, die einem in den Sinn kommt, ist immer die nächstliegende, und wenn man eine naheliegende Idee gehabt hat, kommt einem nicht in den Sinn, daß andere sie schon vorher gehabt haben könnten.
    Ich verfüge über eine hübsche Sammlung von Rezensionen, in allen Sprachen des indogermanischen Stammes, deren Titel sich zwischen »L'eco di Eco« (Das Echo von Eco) und »Un libro che fa eco« (Ein Buch, das Widerhall findet) bewegen.
    Allerdings habe ich hier den Verdacht, daß es diesmal nicht die erste Idee war, die dem Redakteur in den Sinn kam; es dürfte eher so gewesen sein, daß die Redaktion sich versammelt und vielleicht zwanzig mögliche Titel durchdiskutiert hatte, und plötzlich hatte sich das Gesicht des Chefredakteurs aufgehellt, und er hatte gesagt: »Freunde, mir ist eine phantastische Idee gekommen!« Und die Runde: »Chef, du bist ein Genie! Wie machst du das nur?« - »Das ist eine Gabe«, wird er
    geantwortet haben.
    Damit will ich nicht sagen, daß die Leute banal seien. Etwas ganz Naheliegendes oder Selbstverständliches als unerhört zu nehmen, als einen von göttlicher Eingebung inspirierten Fund, offenbart eine gewisse Frische des Geistes, eine Begeisterung für das Leben und seine Unvorhersehbarkeiten, eine Liebe zu den Ideen - so klein sie auch sein mögen. Ich vergesse nie meine erste Begegnung mit jenem großen Sozialforscher, der Erving Goffman gewesen ist: Ich bewunderte ihn und liebte ihn wegen der Genialität und Tiefe, mit der er

Weitere Kostenlose Bücher