Wie man mit einem Lachs verreist
einer
tödlichen Beleidigung, und an den Häusern tauchten Schilder auf mit der Aufschrift »Keine Vermietung an Muschiks«.
Norditalien litt unter dem »Wanderungs-Erdbeben«.
Ostdeutschland hatte die türkischen Gastarbeiter vertrieben; diese waren nach Spanien gegangen, das binnen kurzem zu einem islamischen Land mit engen Geschäftsverbindungen
zum Emirat Jerusalem geworden war; wegen des Andrangs
von Arbeitskräften aus dem Osten hatten deutsche Arbeiter Frankreich überschwemmt (sie durchschwammen die Marne
und eilten in langen Taxi-Kolonnen nach Paris), während die von Norditalien hinter die Gotenfront und von den Deutschen in Marseiile zurückgedrängten afrikanischen Arbeitskräfte nach Mitteleuropa geströmt waren. Die diesen - abschätzig »Woll-du-kauf«* genannten - Wanderarbeitern gegenüber zunächst
mißtrauischen Deutschen sahen sich schließlich
gezwungen, der Bildung eines deutsch-afrikanischen
Kaisertums zuzustimmen, und boten die Eiserne Krone
Friedrich Aurelius Luambala I. an.
Die im Norden unter afrikanischem Druck stehende und von den Märkten im Mittelmeerraum abgeschnittene
Norditalienische Republik erlebte jetzt eine Zeit des
wirtschaftlichen Niedergangs. Nächtens bemalten unbekannte Hände die Standbilder ihres Begründers Bossi* mit dem
ominösen »ent'el cü«.
Über das Preisgeben der Gedanken
Mir ist ein in Kalbsleder gebundenes und schon etwas aus dem Leim gegangenes Duodezbändchen in die Hände gefallen. Es ist nicht datiert, und der Druckort (Bagnacavallo) ist eindeutig fiktiv; doch habe ich wegen der auf die Papierbeschaffenheit zurückgehenden stark ausgeprägten rötlichen Einfärbungen der Seiten keinerlei Bedenken, als seine Entstehungszeit das siebzehnte Jahrhundert anzusetzen. Sein Titel lautet „Über das
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Preisgeben der Gedancken - Oder wie Fürsten, Minister, Poeten & Philosophen ihre Gedancken dadurch verheimlichen mögen, dass sie selbige in jeglicher Lage mit Fleiss offenbar machen“.
Das Buch gehört offensichtlich jener Gattung an, für die Graciáns „Handorakel“, Mazarinos „Breviario dei politici“
(Politikerbrevier) und Torquato Accettos „Della dissimulazione onesta“ (Über die ehrenhafte Verstellung) gute Beispiele sind.
Während aber jene Handbücher den Höfling lehrten, wie er seine Gedanken verbergen, angebliche Tugenden heucheln
oder, um nicht den Neid der anderen Höflinge zu erregen, wirkliche verstecken soll, stellt unsere kleine Abhandlung mit einem genialen Ruck die Situation auf den Kopf.
Da ist zum Beispiel das kleine Kapitel mit der Überschrift „Das Regieren der Völcker“. Es steht da: »Hastu das Regiment über ein Volck/dann zeige dich/so jemand dich besuchet/damit beschäftigt/ einen brief an deinen Minister auffzusetzen / vnd trage sorge/dass was du schreibest/dem auge des newgierigen wol sichtbar sey, in dem du immer wieder das blatt so
drehest/dass sein Lynkeus-Blick es sehen und lesen kan/dass du den Minister beschuldigest/nicht dein trewer diener
zuseyn/sondern ein schelm vnnd der sohn einer in den
öffentlichen registern vnbekannten mutter/der reif ist für das Asylum der vnheilbaren narren vnd die Synagoge der
vnwissenden besucht. Vnd auff dieße weise wird dein
schreiben zum gegenstand des Geredes bei jeder
Jahrmarktsschaw der curiosen dinge in der welt werden. Doch richte es so ein/dass der selbe newgierige dich am nächsten tage sagen höre / dießer nämliche Minister sey ein mensch von vngewöhnlicher tugend vnd dein lieber freund / der gestalt, daß die besucher der Jahrmarktsschaw von newem vnd
gegensätzlichem staunen ergriffen werden. Auff diese weise werden deine Absichten zu etwas Rätselhaftem in der art eines ägyptischen Ödipus vnd die klugen köpfe der welt werden von dir als von einem scharffsinnigen Regenten reden/ der es verstehet/sich nit in die karten schawen zu lassen; vnd sie werden / wenn sie dich als den Architekten so vieler vnd
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einander widersprechender Machinationes auff dem
öffentlichen platz sehen/vermeynen, dass du außer dem noch andere in irgend einer vnterirdischen welt ins Werck setzest. «
Unser Anonymus knausert auch nicht mit Ratschlägen an die Höflinge: »Hegest du aber vnfreundliche Gedanken vber deinen Souverain/so äußere sie nicht in den verrufenen Stadtvierteln, sondern rufe auff der Versammlung „o welch eintölpel“ oder auch „er ist dumm vnd töricht“/so dass der Souverain es nimmer wagen wird/dich von seynen
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