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Wie man mit einem Lachs verreist

Wie man mit einem Lachs verreist

Titel: Wie man mit einem Lachs verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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definiert im Verhältnis zum Nichtsein beziehungsweise dem Nichts, wo, auch wenn man nicht glaubt, daß es die Hölle gibt, trotzdem immer noch Heulen und Zähneklappern herrscht. Der Output einer derartigen Maschine wäre also das Aufrechterhalten ihres eigenen
    Bestehens, und in diesem Sinn wäre sie aktiv. Gäbe es
    andererseits nicht wenigstens diese Art von Output, so wäre diese göttliche Maschine eben keine Maschine (aufgrund von
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    Def. 1) und das Problem dieser Nicht-Maschine fiele nicht mehr in den Bereich unserer gegenwärtigen Erörterung über die Maschinen.
    Eine Wim ist also zwar nicht herstellbar, aber jedenfalls denkbar, wie man bei Anselm von Canterbury sehen kann: Wir können uns ein esse cuius nihil maius cogitari possit denken.
    Daß die Möglichkeit, ein solches Wesen zu denken, zugleich Beweis seiner Existenz sein soll, interessiert uns im Augenblick nicht.
    Indessen ist es unmöglich, sich eine Wom zu denken, nämlich ein esse cuius nihil minus cogitari possit. Ganz offensichtlich wäre eine Wom eine Black box, aus der, sosehr man sie auch mit Inputs füttert, niemals irgendein Output herauskommt.
    Mechanisch gesehen müßte man sich eine viereckige schwarze Schachtel vorstellen, bei der man nur den Input feststellen kann und aus der nicht nur nichts »Dingliches«, sondern auch nichts etwa durch Temperatur- oder Tastsinn Wahrnehmbares
    herauskäme; tatsächlich dürfte sie nichts von sich geben, das es ermöglichen würde, sie wahrzunehmen; sie wäre also nicht wahrnehmbar: Eine von anderen Wesen wahrnehmbare Wom
    müßte ein Feld von Reizen erzeugen und damit die Möglichkeit, ihren Umriß wahrzunehmen. Sie würde also irgendeine Form von Aktivität aufweisen. Eine perfekte Wom jedoch müßte, indem sie ihre Output-Möglichkeiten immer weiter reduziert, letztlich sich selbst zerstören. Dann allerdings, wenn die Black box verschwindet, die den Input als Input dieser Box definiert, wäre die Wom aufgrund von Def. 1 keine Maschine mehr. In diesem Sinn ist der Begriff »Wom« selbstwidersprüchlich.
    Schwarze Löcher kann man deshalb nicht als Woms definieren, weil sie erstens wahrnehmbar sind (wenn auch nicht mit den Sinnen und nur aufgrund von Schlußfolgerungen aus nicht sehr handfesten experimentellen Befunden), zweitens als Output die Fähigkeit manifestieren, immer neue Materie als ihren Input anzuziehen, drittens weil man heute annimmt, daß sie sich verflüchtigen, und das Sichverflüchtigen ist, solange es andauert, eine Aktivität (Output) der Maschine, und nach der völligen Verflüchtigung gibt es keine Maschine mehr.
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    5. Daraus ist vorläufig der Schluß zu ziehen, daß man, da die Wom undenkbar ist, nicht nur ihre Existenz nicht beweisen kann (nicht einmal aufgrund des negontologischen Beweises), sondern auch nicht ihre Nichtexistenz. Doch auch ihre
    Nichtdenkbarkeit läßt sich beim gegenwärtigen Stand der Untersuchungen nicht beweisen, denn hinsichtlich der
    Nichtdenkbarkeit der Wom gelten alle Argumente hinsichtlich der Denkbarkeit oder Nichtdenkbarkeit der Negation oder des Nichtseins.
    Von der Wom kann man nicht nicht denken, sie sei nicht
    denkbar, doch gilt aufgrund der Regeln über die doppelte Verneinung: (a) man kann denken, sie sei nicht denkbar, (b) man kann nicht denken, sie sei nicht denkbar, und (c) man kann nicht-denken, sie sei nicht denkbar. Man kann aber nicht sagen, daß man denken könne, sie sei denkbar.
    6. Dies führt zu der Überlegung, daß die ganze Entwicklung der abendländischen Metaphysik auf einem Akt der Faulheit beruht, da sie sich ständig mit dem Problem des Ursprungs (das heißt einer Wim), also einem von vornherein gelöstem Problem
    befaßt, aber nie mit dem Problem des Endes (der Wom), das als einziges ein
    gewisses Interesse verdiente. Diese Faulheit hängt
    möglicherweise mit der biologischen Struktur des denkenden Wesens zusammen, das in gewisser Weise zwar seinen
    Anfang erfahren und durch Induktion Gewißheit darüber
    gewonnen hat, daß es Anfänge gibt, aber nie die Erfahrung seines Endes macht - höchstens für einen äußerst kurzen Augenblick -, und das, kaum daß es sie gemacht hat, aufhört, sie zu machen (und darüber reden zu können: vgl. Martin Eden:
    »Und als er es begriff, hörte er auf, es zu begreifen«). Juristisch ausgedrückt gibt es zwar zuverlässige Zeugnisse über den Anfang (»Ich habe angefangen ...«) oder über einen ewigen Anfang (»Ich bin der, der ist«), aber keine zuverlässigen

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