Wie man sich beliebt macht
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Kaum war ich zu Hause, rief Kitty an, um zu sagen, dass unsere Kleider und die Smokings der Jungs fertig seien. Sie fragte, ob wir schnell zu einer letzten Anprobe rüberkommen könnten. Na, das passte ja: Da würde ich Jason sehen.
»Klar. Wir sind gleich da.« Ich holte Catie, die schon an ihrem Schreibtisch saß und fleißig ihre Hausaufgaben machte. Bei uns in Greene County bekommen die Grundschüler erst ab der vierten Klasse Hausaufgaben auf und Catie hatte sich schon wochenlang darauf gefreut (in meiner Familie sind alle ein bisschen komisch drauf, deshalb fand ich das nicht unbedingt besorgniserregend). Danach holte ich Pete und Robbie aus dem Fernsehzimmer, wo sie MTV schauten, weil sie es wieder mal geschafft haben, Moms Passwort für die Kindersicherung zu knacken.
Nachdem ich auf »Angela Anaconda« umgeschaltet hatte, damit keiner merkt, dass wir das Passwort geknackt
haben, ließ ich Sara vor dem Fernseher sitzen und sagte Dad schnell Bescheid, wo wir hingingen. Wir liefen quer durch den Garten zu den Hollenbachs rüber, um unsere Hochzeitsgarderobe anzuprobieren.
Ich muss sagen, dass ich mich eigentlich nicht besonders für Klamotten und Mode interessiere. Abgesehen von den Overknees (die ich ausgezogen hatte, sobald ich wieder zu Hause war), ziehe ich mich meistens eher normal an.
Aber selbst ich finde die Kleider, die Kitty für uns nähen ließ, wirklich traumhaft schön. Sie sind aus altrosa Satin - kein so aufdringliches mädchenhaftes Rosa - und ärmellos. Über dem Satin liegt noch einmal ein Hauch zartrosa Chiffon, und am Saum sind sie mit Swarovsky-Steinchen in unterschiedlichen Größen bestickt, in denen sich funkelnd das Licht bricht … die aber trotzdem kein bisschen kitschig aussehen. Wenn ich die dunkelrote Schärpe weglasse, könnte ich das Kleid sogar zum Abschlussball tragen (für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich jemals einen Ballpartner finde).
Und das Beste ist, dass Grandpa sie bezahlt. Wenn er die Kleiderwahl Mom überlassen hätte, hätten wir welche aus dem Ausverkauf bei Sears bekommen und keine wunderschönen, handgenähten Kleider von Kittys Schneiderin.
»Hallo, Kinder!«, begrüßte uns Kitty, als wir zur Hintertür hereinkamen, statt zum Vordereingang, den die Hollenbachs eigentlich nie benutzen. Das Haus, in dem Kitty schon als Kind wohnte, ist das älteste Gebäude in unserer Straße, ein riesiges ehemaliges Farmhaus im viktorianischen Stil. Das früher dazugehörige Ackerland ist längst verkauft, um andere Häuser darauf zu bauen. Unseres
zum Beispiel. Wenn man zum Vordereingang reingeht (was aber, wie gesagt, niemand tut), steht man in einer großen Eingangshalle mit prächtigem Parkettboden. Außerdem haben die Hollenbachs eine riesige Speisekammer und sogar ein Dienstbotenzimmer (das ist der Raum auf dem Speicher, in den Jason kürzlich gezogen ist). Unter dem Esstisch befindet sich ein Knopf, den man drücken kann, um nach der Köchin zu klingeln. Jason und ich haben als Kinder aber so oft draufgedrückt, dass seine Mutter ihn irgendwann abgeschaltet hat.
»Kann ich euch eine Limonade anbieten?«, fragte Kitty.
Genau das ist einer der Gründe, weshalb ich Jason so gern besucht habe, als ich ein Kind war. Erstens wohnte er in dem einzigen Haus in unserer Straße, in dem es eine Klimaanlage gab, sodass es dort immer schön kühl war, und zweitens bekam man dort immer Limonade oder Orangensaft. Bei uns gibt es außer Milch nur Wasser zu trinken. Leitungswasser, wohlgemerkt. Mein Dad behauptet, wir könnten es uns nicht leisten, teuren Saft zu kaufen (falls durch irgendein Wunder doch mal welcher in unserem Kühlschrank auftaucht, wird er sowieso sofort von Pete weggetrunken), und lehnt jede Art von Limonade grundsätzlich ab, weil da zu viel Zucker drin ist.
Jason durfte immer schon so viel zuckerhaltige Limonade trinken, wie er wollte. Und deswegen ist er jetzt auch gar nicht mehr scharf darauf.
Wir tranken ungefähr drei Liter (Pete schüttete allein schon mindestens eineinhalb Liter in sich hinein), bevor Kitty uns schließlich dazu überreden konnte, mit ihr nach oben zu gehen, um die Sachen anzuprobieren.
Aber das lohnte sich dann auch wirklich.
»Toll!«, sagte Kitty, als Catie und ich in den neuen Kleidern aus Jasons altem Zimmer kamen, das in ein improvisiertes Nähatelier umgewandelt worden war - ein Nähatelier mit Rennautotapete. »Wunderhübsch seht ihr aus! Wie zwei Prinzessinnen!«
»Findest du echt?« Catie, deren
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