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Wie man sie zum Schweigen bringt

Wie man sie zum Schweigen bringt

Titel: Wie man sie zum Schweigen bringt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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und einen verdächtigen Wagen zu überprüfen, obwohl sie Todesdrohungen erhalten hatte. Eine gutgläubige Idiotin, die die verrücktesten Theorien schluckte, weil sie ihr in den Kram passten. Meine Stimmung verbesserte sich keineswegs, als Laine vom Begeka sich neben mir an der Kasse anstellte und mir auf die Schulter klopfte.
    »Schön, dich trotz der Bombengeschichte im Dienst zu sehen. Ist der Täter schon gefasst? «
    Ich bekam geradezu Sehnsucht nach meinem alten Feind Pertti Ström. Er hatte mir Dolchstöße versetzt, wann immer sich die Gelegenheit bot, doch er hatte seine Waffe wenigstens sichtbar getragen. Laine kämpfte nach ganz anderen Regeln, und ich hatte keine Ahnung, warum er sich mit mir anlegen wollte.
    Ich entdeckte Liisa Rasilainen an einem Zweiertisch in der Ecke und setzte mich zu ihr. Nachdem wir eine Weile über den Bombenanschlag geredet hatten, fragte sie, warum ich im »Cafe Escale« so plötzlich verschwunden war.
    »Die beiden Männer an unserem Tisch meinten, das wäre typisch Hetero. Vergessen ihre Freunde und rennen dem erstbesten Adonis nach«, frotzelte sie.
    »Der Rothaarige ist in einen furchtbar komplizierten Fall verwickelt, an dem ich arbeite .  « Am liebsten hätte ich mein ganzes Elend vor Liisa ausgebreitet, doch ich sparte meine Ergüsse für den Psychologen auf. Dieser war fest davon überzeugt, dass ich unter posttraumatischem Stress litt. Vielleicht hatte er Recht. Jedenfalls gab mir sein Gutachten einen Grund, den Rest des Tages heulend in meinem Zimmer zu sitzen.
    Ich beschloss, Suvi Seppälä erst am nächsten Tag anzurufen, falls ich es dann noch für richtig hielt.
    Im Lauf des Tages war es schwül geworden, und als ich das Präsidium verließ, türmte der Südwind schwarze Wolken auf. Ein Gewitter im Mai war eine Seltenheit. Der Regen hing plötzlich vor mir wie ein silbergrauer Vorhang, trommelte eine wütende Melodie auf das Wagendach und war auch schon vorüber.
    Als ich vor Helvis Haus anhielt, schien wieder die Sonne. Auf dem Weg zum Auto sprang Iida in ihren Gummistiefeln in sämtliche Pfützen und bespritzte uns beide mit Matsch. Es tat mir Leid, dass ich meine guten Schuhe trug, denn mir hätte es auch gut getan, mit vollem Schwung in eine Pfütze zu springen.
    Stattdessen versuchte ich, meine überschüssigen Gefühle beim Joggen abzubauen. Bevor ich loslief, betrachtete ich unschlüssig meine Dienstwaffe, gab mir einen Ruck und schloss sie im Schrank ein. Ich wollte mich nicht zur Gefangenen meiner Waffe machen, sonst würde Iida es eines Tages für normal halten, dass ihre Mutter sich nicht ohne Revolver aus dem Haus wagte. Zu meiner Sicherheit musste ich eben an stark befahrenen Straßen joggen, wie es viele Frauen aus Angst vor Vergewaltigern taten, auch wenn es sich auf Feldwegen angenehmer lief. Der Regen hatte den Birken und Maiglöckchen einen Duft entlockt, den selbst die Abgasschwaden nicht verderben konnten. Scham und Wut flössen von mir ab, doch an ihre Stelle traten Minderwertigkeitsgefühle. Ich durfte keine Fehler machen, ich musste mindestens doppelt so gut sein wie der beste Mann im Präsidium. Eine gnadenlose Einstellung, hatte der Psychologe gesagt. Es fiel mir unglaublich schwer, mir selbst gegenüber gnädig zu sein.
    Ich wagte es, den Wanderweg zu nehmen, da dort Spaziergänger unterwegs waren. Der Weg endete an einem kleinen, aber steilen Hügel, unter dem die stark befahrene Landstraße verlief. Oben auf dem Hügel überholte ich eine Frau, die zwei riesige Hunde an der Leine führte und einen Kinderwagen vor sich herschob. Das etwa anderthalbjährige Kind, das darin saß, entdeckte das Eichhörnchen zur selben Zeit wie die Hunde und ich. Die Hunde rissen wie wild an der Leine, sodass die Frau den Wagen nicht mehr halten konnte. Er rollte den Hügel hinunter, und ich sprintete hinterdrein. Ein paar Meter vor dem Straßenrand erreichte ich ihn und wartete keuchend auf die Mutter, die abwechselnd die Hunde und sich selbst ausschimpfte.
    »Danke! Tausend Dank! «, stammelte sie. Ich rannte triumphierend weiter und merkte erst nach einem Kilometer, was los war: Ich wollte nützlich sein. Nur dann konnte ich gnädig mit mir umgehen und mir selbst das Recht zugestehen zu existieren. Diese Erkenntnis trieb mir Tränen in die Augen.
    Ich kam gerade aus der Dusche, als das Telefon klingelte. Antti stand am Herd und briet Strömlinge, also rannte ich nass und unbekleidet hin und nahm den Hörer ab.
    »Mikke Sjöberg hier, hallo . 

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