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Wie man sie zum Schweigen bringt

Wie man sie zum Schweigen bringt

Titel: Wie man sie zum Schweigen bringt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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    »Hallo. Warte eine Sekunde .  «
    Ich holte mir den Bademantel und bemühte mich, die Übelkeit zu unterdrücken. Ich hatte nicht die Kraft, mit Mikke zu sprechen, nicht heute. Iida hatte inzwischen den Hörer genommen und plapperte fröhlich drauflos, ohne zu wissen, mit wem sie sprach.
    »Iida, gib mir den Hörer. Geh zu Papa in die Küche .  « Ich griff nach dem Hörer, als wäre er eine giftige Schlange. »Was ist? «
    »Ich weiß, wer die Bombe auf deinem Grundstück gelegt hat .  «
    »Was sagst du da? «
    »Ich hab es zufällig im Fitnessraum gehört. Salo hat nämlich Erkundigungen eingezogen, er ist ja im selben Trakt wie ich .  «
    »Schön, dann musst du mit den Leuten vom Kriminalamt sprechen. Hauptmeister Muukkonen leitet die Ermittlungen, ich kann dir seine Telefonnummer geben .  «
    »Nein! Ich will nicht als Polizeispitzel dastehen. Mit dir kann ich reden, dafür gibt es immerhin einen brauchbaren Vorwand .  «
    »Was denn für einen? «
    »Die Untersuchung über die Tochterfirmen der Merivaara AG, die ist doch noch im Gang .  «
    »Schon, aber auch dafür bin ich nicht zuständig. Du behauptest also, Salo steckt nicht hinter dem Anschlag? «
    »Genau. Komm her, dann erzähl ich dir mehr. Ich kann jetzt nicht lange sprechen und schon gar keine Namen nennen. Aber ich weiß etwas, glaub's mir .  «
    Mikke sprach hastig, als ob er damit rechnete, dass er unterbrochen wurde oder dass ich auflegte. Mein Verstand riet mir, genau das zu tun und Muukkonen zu benachrichtigen. Doch ich folgte meinem Gefühl.
    »Okay, ich komme. Gleich morgen, wenn ich es einrichten kann .  « Verdammte Idiotin, wütete ich mit mir selbst, nachdem ich aufgelegt hatte. Ich hatte wirklich keine Gnade verdient.
    Ich ging in die Küche und trank einen langen Zug Anisschnaps direkt aus der Flasche.

NEUNZEHN
    Am Mittwoch fuhr ich um die Mittagszeit nach Helsinki zur Haftanstalt. Meinen Kollegen erzählte ich, ich müsse zum Zahnarzt und könne deshalb nicht mit ihnen zu Mittag essen. Hunger verspürte ich ohnehin nicht, eher Übelkeit. Es kam mir vor, als wäre es eine Fremde gewesen, die am Vormittag mit der Gefängnisdirektion telefoniert und erklärt hatte, warum sie dringend mit Mikke Sjöberg sprechen musste. Auf der Schnellstraße verstand ich plötzlich, was ein Junkie empfinden muss, der weiß, dass er sich keine Spritze setzen darf, aber nicht gegen seine Sucht ankommt: Genuss und Scham zugleich, und die Vorfreude auf den Moment, in dem die euphorisierende Wirkung der Droge über die Selbstverachtung siegt. Ich hatte immer noch die Option, Muukkonen anzurufen. Er konnte Mikke zur Vernehmung aufs Kriminalamt holen lassen, ich brauchte ihn nicht zu sehen.
    In der Nacht hatte ich unruhig geschlafen und von explodierenden Booten und zerschossenen Köpfen geträumt. Immer wieder war ich aufgestanden und hatte mich überzeugt, dass Iida ruhig atmete und dass niemand um unser Haus schlich. Ich hatte mich bemüht, Antti nicht zu wecken, der nur dank einer Tablette Schlaf gefunden hatte. Auch er war mit seiner Angst allein, wie ich.
    Die Bucht Laajalahti schimmerte blau, in Ufernähe schwamm ein Schwanenpaar, ohne sich vom Autobahnlärm stören zu lassen. Wollten die Spitzenmanager der großen Unternehmen wirklich in Autobahnnähe wohnen? Würde man am Westring und an der Turkuer Autobahn Lärmschutzwälle bauen und die Autos in eine abgasgeschwängerte Röhre sperren? Im Hinblick auf das U-Bahn-Projekt wäre es sinnvoll, das Gebiet von Laajalahti dicht zu bebauen. Allerdings hatte ich den Verdacht, dass nur Idealisten, Arme und Frauen die U-Bahn benutzen würden. Die Bosse würden ihre Dienstwagen sicher nicht stehen lassen. Auch ich fuhr wieder einmal im eigenen Wagen. Ganz Helsinki schien gemerkt zu haben, dass es fast Sommer war. Shorts, Miniröcke und ärmellose Hemden legten blasse Haut frei, die sich unter dem rücksichtslosen Griff der Sonne rötete. Ich hatte die langweiligste Kleidung angezogen, die ich besaß, und mich nur so weit geschminkt, dass man die schwarzen Schatten unter meinen Augen nicht sah. Ich wollte nicht feminin aussehen.
    Es war beklemmend, das Gefängnis zu betreten, der Freiheitsmangel schien geradezu in der Luft zu schweben. Mitleid mit den Insassen hatte ich nicht, wegen eines Bagatelldelikts saß niemand hier. Aber ich war anfällig für Stimmungen, und die Wut und Verzweiflung, die sich hinter den Mauern stauten, waren überdeutlich zu spüren. Auf dem Gefängnishof trotzten einige

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