Wie man sie zum Schweigen bringt
mit blutigem Gesicht nach Hause gekommen und gleich wieder gegangen. Sein Motorrad sei auch nicht mehr da. Als ich fragte, woher er wisse, dass es am Dienstag war, sagte er, dienstags käme ›Stadtmaus und Feldmaus‹ im Fernsehen, und seine alberne kleine Schwester gucke sich das immer an . «
»Stimmt, Iida ist auch ganz verrückt auf die Serie. Was hat die Mutter gesagt? «
»Die war nicht zu Hause . «
»Erzähl mir was über diesen Seppälä. Weshalb ist er vorbestraft? «
Puustjärvi reichte mir den Strafregisterauszug. Marko Tapani Seppälä war 1971 geboren und mit siebzehn Jahren wegen einer Reihe von Autodiebstählen zum ersten Mal auf Bewährung verurteilt worden. Mit achtzehn war er bei einem bewaffneten Raubüberfall erwischt worden und hatte zwei Jahre in einer Jugendstrafanstalt gesessen. In den neunziger Jahren hatte er in regelmäßigen Abständen kurze Gefängnisstrafen wegen Körperverletzung und Eigentumsdelikten abgesessen, er war mittlerweile vom Autoknacker zum Hehler aufgestiegen. Rauschgiftdelikte standen nicht auf der Liste, aber ich stellte fest, dass er zur gleichen Zeit wie Jani Väinölä und der Drogenkönig Salo in der Haftanstalt Sörkka eingesessen hatte und dass einer seiner Hehlerkumpane als Dealer für Salo arbeitete.
»Der Kerl ist ja häufiger hinter Gittern als zu Hause. Wie hat er es fertig gebracht, zu heiraten und drei Kinder zu zeugen? «, fragte ich und versuchte meine Aufregung zu verbergen. Das Profil des Zufallstäters passte mit gewissen Abstrichen auf Seppälä. Oder war er ein Kumpel von Jani Väinölä? Hatte Väinölä ihn auf Petri Ilveskivi gehetzt?
»Seppälä fährt eine Kawasaki 750 GPZ, und einer der Zeugen hat geschworen, die Nockenkette an dem Motorrad hätte heruntergehangen wie bei seiner alten Kawasaki. Von denen, die das Motorrad gesehen haben, wirkte er am zuverlässigsten. Der kleine Junge, der bei Seppäläs ans Telefon gegangen ist, meinte, seine Mutter käme um drei nach Hause. Sollen wir hinfahren und sie vernehmen? «
»Ja, aber zuerst müssen wir uns Väinölä nochmal vorknöpfen«, sagte ich und rief im Zellentrakt an.
»Kallio, Gewalt eins. Ist Väinölä noch im Haus? «
»Ich weiß nicht. Kann sein, dass er schon raus ist, Kettunen hat vor zwei Minuten seine Entlassungspapiere quittiert . «
»Scheiße! «, fluchte ich. »Komm, Petri, wir müssen ihn stoppen . «
Puustjärvi war langsamer als ich. Bevor er reagierte, hatte ich bereits das Treppenhaus erreicht. Der Zellentrakt befand sich im Erdgeschoss des Polizeigebäudes, das Gewaltdezernat im fünften Stock. Ich stürmte ins Vestibül und wäre beinahe gegen das Maskottchen der Polizei, einen großen Plüschpolypen geprallt.
Jani Väinölä war nirgends zu sehen. Ich lief zum Schalter des Diensthabenden gleich neben der Tür.
»Hast du einen Glatzkopf in einer Bomberjacke gesehen, mit einer Hakenkreuztätowierung am Hinterkopf? «
»Ist vor einer Minute rausgegangen. Er hat sich schon im Windfang einen Glimmstängel angesteckt, ganz demonstrativ«, sagte der Beamte entrüstet, der selbst vor einem halben Jahr mit dem Rauchen aufgehört hatte.
Ich lief hinaus und sah mich um. Einige hundert Meter weiter schlurfte Väinölä über den Parkplatz. Meine Büroschuhe waren eigentlich zu dünn zum Laufen, doch schon nach zwei Minuten hatte ich ihn eingeholt.
»Findest du mich so sexy, dass du mir nachrennst? «, grinste Väinölä, als ich mich keuchend vor ihm aufbaute. Puustjärvi kam in aller Seelenruhe aus dem Gebäude. Die Sonne schien plötzlich so warm wie im Juli, ich fror überhaupt nicht, obwohl ich nur ein dünnes T-Shirt anhatte.
»Nein. Aber du musst nochmal mitkommen . «
»Wieso? Ich bin doch gerade erst entlassen worden. Anscheinend habt ihr wen gefunden, der bezeugen kann, dass ich weit weg war, als der warme Bruder abgestochen worden ist . «
»Wir haben trotzdem noch ein paar Fragen. Also los! «
Er sah mich von oben herab an. In meinen flachen Schuhen maß ich gerade einssechzig, und Väinölä holte aus den knapp zehn Zentimetern Größenunterschied das Letzte heraus. Er zündete sich die nächste Zigarette an und blies mir den Rauch direkt in die Augen. Beinahe hätte ich über die Hingabe schmunzeln müssen, mit der er den harten Burschen mimte.
»Willst du mich schon wieder festnehmen, du Tussi? Mit welcher Begründung? «
»Wenn es sein muss, kann ich dich auch festnehmen. Ich möchte über deinen Bekanntenkreis mit dir reden
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