Wie man sie zum Schweigen bringt
wecken.
»Ein mieses Gefühl, dich allein zu lassen. Geh doch heute Abend mit irgendwem ins Kino, damit du auf andere Gedanken kommst«, sagte er und wühlte mit dem Gesicht in meinen Haaren.
»Mal sehen, vielleicht kann ich ja morgen Abend nach Inkoo nachkommen«, meinte ich optimistisch. Womöglich brachte die Morgenbesprechung eine positive Entwicklung im Fall Ilveskivi.
Meine Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht. Unsere Ermittlungen steckten fest. Jani Väinölä war unschuldig, und andere Verdächtige hatten wir bisher nicht. Aufgrund der Augenzeugenberichte hatte ein Polizeizeichner ein Phantombild des Motorradfahrers erstellt, das jedoch ausgesprochen vage war.
»Wann bekommen wir die DNA-Analyse von der Zigarettenkippe, die in der Nähe des Tatorts lag? «, fragte ich Koivu.
»Nächsten Dienstag. An Ilveskivis Jacke wurden drei verschiedene Haare gefunden, die auch zur DNA-Analyse geschickt wurden. Ein teurer Spaß, aber was will man machen . «
»Richtig. Was ist mit dem Jogger, der Ilveskivi gefunden hat, und mit den anderen Zeugen, die vor den Sanitätern am Tatort waren? Hat sich bei ihren Vernehmungen etwas Neues ergeben? «
Puupponen schüttelte den Kopf.
»Der Mann hat ziemlich genau beschrieben, in welcher Stellung Ilveskivi auf dem Boden lag, davon haben wir eine Zeichnung. Wir müssen sie noch mit dem Bericht des Gerichtsmediziners vergleichen . «
Der einzige Ermittlungsstrang, von dem wir noch etwas erwarten konnten, war Puustjärvis Liste der ins Profil passenden Gewohnheitsverbrecher. Sechs von ihnen besaßen ein Motorrad, davon fünf eine Harley-Davidson. Ich bat Puustjärvi und Lehtovuori, das Alibi der sechs Männer zu überprüfen.
Puupponen blieb nach der Besprechung im Sozialraum und verwickelte mich in ein Gespräch über die anstehende Eishockey-WM, die mich herzlich wenig interessierte. Erst als der letzte Kaffeetrinker gegangen war, fragte er wie nebenbei: »Sag mal, Maria, stimmt es, dass Frauen bei einem Mann als Erstes auf den Hintern gucken? Sprecht ihr zum Beispiel von einem knackigen Po? «
»Hat dir jemand gesagt, du hättest einen? Warum auch nicht, an deinem Hintern ist nichts auszusetzen«, scherzte ich, doch Puupponen lief rot an, bis sein Gesicht fast die Farbe seiner Haare hatte und die Sommersprossen auf den schmalen Wangen nicht mehr zu erkennen waren. Erst da wurde mir bewusst, dass ich meinen männlichen Chefs einen ähnlichen Kommentar über meine körperlichen Vorzüge übel genommen hätte. Hatte Puupponen mich absichtlich zu einer Äußerung verleitet, die man als sexuelle Belästigung auslegen konnte? Ich verwarf diesen Gedanken jedoch, denn er blieb hartnäckig bei seinem Thema: »Um meinen Arsch geht es nicht, aber gucken Frauen wirklich…«
»Ich glaub, das ist genau so ein Klischee wie die Behauptung, Männer guckten als Erstes auf den Busen . «
»Worauf achtest du denn bei einem Mann zuerst? « Sein Gesicht wurde noch röter.
»Hmm… auf sein Gesicht wahrscheinlich, auf das Mienenspiel. Wieso? «
»Na ja… Ich hab nur über eine Frau nachgedacht. Ob sie zum Beispiel denken könnte, der hat aber einen tollen Hintern . «
Ich sah ihn verwundert und belustigt an. Worum in aller Welt ging es?
»Natürlich kann ihr der Gedanke durch den Kopf gehen. Wenn du so eine Bemerkung gehört hast, kann es durchaus sein, dass die Frau dich gemeint hat . «
»Es geht hier nicht um mich! «, knurrte Puupponen und stürmte mit erdbeerrotem Gesicht hinaus. Ich starrte ihm verblüfft nach. Er hatte eine ganz normale, schlanke Figur, ohne besondere Mängel oder Vorzüge. Sein sommersprossiges, jungenhaftes Gesicht wirkte sympathisch, sein großer, ständig grinsender Mund verriet, dass er Humor besaß. Zweifelte er an seinen Chancen bei den Frauen, oder was war mit ihm los?
Der Obduktionsbericht, den ich auf meinem Schreibtisch vorfand, ließ mich Puupponens merkwürdige Frage vergessen. Nach Ansicht des Gerichtsmediziners hatten Ilveskivis Stichwunden stark pulsiert, sodass der Täter aller Wahrscheinlichkeit nach Blutspritzer abbekommen hatte. An einer schwarzen Motorradkluft stachen sie kaum ins Auge; dennoch wunderte es mich, dass niemand einen blutbespritzten Nachbarn oder Passanten gesehen haben wollte.
Eine halbe Stunde später rief Puupponen an und bat mich, niemandem von der Poszene, wie er es nannte, zu erzählen. Meine Verwirrung wuchs, doch ich versprach ihm, Stillschweigen zu bewahren. Die Kollegen versuchten ständig, ihm
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