Wie man sie zum Schweigen bringt
riss ein Blatt von dem Notizblock ab, der auf dem Tisch lag, und schrieb Name und Telefonnummer der Autorin auf. »Nach dem Fototermin habe ich mich im ›Motti‹ mit Eriikka getroffen. In dem Lokal sind wir beide bekannt, aber das spielt wohl keine Rolle mehr. Wurde Petri nicht schon vor sechs gefunden? «
Er schien nicht zu wissen, dass unser Gespräch juristisch keinen Wert hatte. Ich würde zumindest Koivu über Ilveskivis heimlichen Liebhaber informieren müssen.
»Weißt du, wann Petri beerdigt wird? «, fragte Kim leise, während er den großen, in schwarzes Leder gebundenen Kalender wieder in seiner Schultertasche verstaute.
»Die Leiche ist noch nicht freigegeben . «
»Warum frag ich überhaupt! Durch Petri hab ich mehr über mich selbst erfahren als durch irgendwen sonst, aber ich kann nicht mal zu seiner Beerdigung gehen! «
»Warum denn nicht? Ihr habt euch doch auch beruflich gekannt«, sagte ich. Wieder einmal mischte ich mich in etwas ein, was mich absolut nichts anging.
»Ich bin ein miserabler Schauspieler«, stieß er hervor. Gerade so einen Satz würde sich ein Täter zurechtlegen, der seinen Auftritt bei der Polizei ein paar Tage lang plante.
»Hatte Petri vor irgendwem Angst? War er in letzter Zeit bedroht worden? «
»Er hat mir erzählt, dass er einmal von Skinheads angegriffen wurde, und auf der Straße hat man ihn angepöbelt, nachdem er im Stadtrat gegen den Erlebnispark in Oittaa und gegen kommunale Kredite für den Bau des Eisstadions gestimmt hatte. Aber er hat gesagt, das gehöre für Kommunalpolitiker zum Alltag. Tommi interessiert sich nicht besonders für Politik, er hütet tagsüber Kinder und schwingt abends den Kochlöffel. Er steht mit der Schürze am Herd, dieser alberne Muskelprotz im Taschenformat! «, fauchte Kim plötzlich, schloss die Augen und presste die Zähne aufeinander.
»Mir fällt niemand ein, der einen Grund gehabt hätte, Petri umzubringen, außer Tommi - wenn er von mir gewusst hat. Aber er hätte es wahrscheinlich zu Hause getan. Nein, doch nicht - dann wäre er ja sofort in Verdacht geraten…«
»Hast du Tommi Laitinen je gesehen? «
»Flüchtig, bei Stockmann in der Käseabteilung. Eine total verrückte Situation. Eriikka und ich waren zu einer Party eingeladen und wollten ein Mitbringsel kaufen. Plötzlich hörte ich Petris Stimme. Wir haben uns nur kurz gegrüßt und nicht einmal unsere jeweilige Begleitung vorgestellt. Aber als wir an der Kasse standen, konnte ich es mir nicht verkneifen, ihm einen heimlichen Blick zuzuwerfen, und er tat dasselbe . «
»Wie sollte es denn mit euch weitergehen? Du hast gesagt, Petri wollte Tommi nicht verlassen. Bist du da sicher? «
»Ja«, sagte er ohne Zögern. »Und Eriikka und ich… Wir haben schon eine ganze Weile davon gesprochen, uns eine gemeinsame Wohnung zu suchen, aber Eriikka will wegen ihrer Arbeit in Flugplatznähe wohnen, und ich möchte eigentlich nicht aus Kauniainen wegziehen. In letzter Zeit hab ich ein bisschen gebremst, denn ich muss erst herausfinden, ob es auf der Welt noch andere Männer gibt, in die ich mich verlieben könnte, oder ob Petri nur eine Ausnahme in meinem geruhsamen Heteroleben war . «
Kim lehnte sich im Sessel zurück, die Nachmittagssonne färbte sein kastanienfarbenes Haar kupferrot. Im Gegensatz zu meinem stumpfen Rot aus der Tube, zu dem ich keine Alternative zu finden schien, war seine Haarfarbe sicher echt. Auf seiner Stirn stand Schweiß, es war schon warm im Zimmer. Ab Anfang Mai musste ich meist die Jalousien herunterlassen.
»Wie hast du dir denn die Zukunft mit Petri vorgestellt? «
»Ich weiß es nicht. Ich habe von einem Tag zum anderen gelebt. Und jetzt ist es sinnlos, darüber nachzudenken! « Er stand auf, war mit zwei Schritten am Regal und starrte die grauen Aktenordner an, ohne sie wirklich zu sehen. »Mehr habe ich nicht zu sagen. Ich wollte euch nur helfen, Petris Mörder zu finden . «
»Weißt du, wo Eriikka am Dienstag zwischen fünf und sechs Uhr war? «
Kim drehte sich abrupt um, seine Stimme wurde lauter.
»Was hat sie mit der Sache zu tun? Sie hatte einen freien Tag. Aber Eriikka… Eine Frau würde so etwas doch nicht tun . «
In diesem Punkt war ich anderer Meinung. Gerade jemand, der seinem Gegner an Körperkraft unterlegen ist, könnte in Versuchung geraten, zum Messer zu greifen. Das sagte ich allerdings nicht, sondern brachte Kim Kajanus zum Ausgang, wo ich auf meine Kollegin Liisa Rasilainen stieß. Ich
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