Wie man sie zum Schweigen bringt
nach Seppälä läuft natürlich weiter . «
Der Tag nahm seinen Gang, meine Mitarbeiter trabten immer wieder an und baten um Rat. Anu Wang beklagte sich, dass Laura Laevuori sich nicht meldete, obwohl sie auf ihrem Anrufbeantworter eine Rückrufbitte hinterlassen hatte. Gegen Mittag rief der immer noch grantige Koivu an, der gerade erfahren hatte, dass Eriikka Rahnasto auf dem Weg nach Los Angeles war und erst am Mittwochabend zurückkommen würde. Ich bat ihn, bei der Finnair nach ihrem Einsatzplan für den vergangenen Dienstag zu fragen. Zehn Minuten später meldete er sich erneut. Eriikka Rahnasto hatte zur Tatzeit tatsächlich frei gehabt. Als Nächstes wollten Koivu und Wang in der Parkhalle am Flugplatz ihr Motorrad überprüfen.
»Fährt sie mit der Harley zur Arbeit? «, fragte ich verwundert.
»Das behauptet ihre Nachbarin jedenfalls. Wir sehen es uns an, vielleicht brauchen wir sie dann am Mittwoch gar nicht mehr zu vernehmen«, sagte Koivu müde. »Allerdings passen auf die Harley mehrere Reifentypen, und ein Reifenwechsel ist überhaupt kein Problem. Viele Werkstätten erledigen das im Handumdrehen . «
»Hast du noch mehr gute Nachrichten? «, fragte ich missmutig und begann, meinen Vortrag für das Seminar am Mittwoch zu schreiben. Die Veranstaltung interessierte mich überhaupt nicht, aber da ich einmal zugesagt hatte, wollte ich keinen Rückzieher machen. Ich war zu pflichtbewusst, zumindest, was den Beruf anging. Als der Vortrag fertig war, verordnete ich mir einen Tapetenwechsel. Wir hatten Tommi Laitinen noch einmal befragen wollen, doch dann waren dringendere Dinge dazwischengekommen. Also würde ich die Sache jetzt selbst übernehmen, denn Koivu und Wang wollten vom Flughafen aus noch nach Hyvinkää fahren, wo ein Streifenbeamter am Vorabend Marko Seppälä gesehen haben wollte.
Laitinens Schicht in der Kindertagesstätte »Pisa« endete um drei Uhr, und wir vereinbarten, dass ich ihn dort abholen würde. Die Bäume begannen bereits zart zu grünen, die schwarzgrünen Blätter der Apfelbeersträucher waren schon daumennagelgroß. Am Freitag war der Vorabend des Ersten Mai, für den sich alle Polizisten Schneeregen erhofften. Seit ich im Beruf war, ging ich an diesem Tag nicht mehr in die Stadt. Ich würde doch nur versuchen, betrunkene Jugendliche unter die Fittiche zu nehmen und mich in Schlägereien einzumischen.
Wir wollten in diesem Jahr bei den Jensens feiern. Falls Lauri Jensen allerdings auch Tommi Laitinen eingeladen hatte, würde ich absagen müssen. Es brachte nur Ärger, Arbeit und Privatleben zu vermischen. Als ich auf dem Parkplatz vor der Kindertagesstätte ausstieg, sah ich auf dem Spazierweg einen schwarzbärtigen Mann joggen, den ich kannte: Kalle Jokinen tat etwas für seine Kondition. Ich hoffte, er würde mich nicht bemerken, doch er blieb stehen und rief mir einen fröhlichen Gruß zu. Er hatte im Gefängnis gesessen, weil er seinen Vater getötet hatte, der jahrelang seine Mutter verprügelt hatte. Im Frühwinter hatte ich ihn verdächtigt, auch seinen Bruder umgebracht zu haben, doch seine Unschuld hatte sich bald erwiesen.
»Tag, Kommissarin, es ist doch hoffentlich in der Kita nichts passiert? «, fragte er und kam ein paar Schritte näher.
»Nein. Ich bin aus ganz anderen Gründen hier . «
»Ich werde morgen Mikke im Gefängnis besuchen, soll ich ihn grüßen? «
»Gern«, sagte ich leichthin und schaffte es sogar zu lächeln. Erst als Kalle weiterlief, drehte ich mich um, lehnte die Stirn ans Auto und bemühte mich, die Fassung wiederzugewinnen.
Ich wusste nicht, warum er mich immer wieder überfiel, dieser unbändige, lähmende Schmerz. Es war schon anderthalb Jahre her, seit ich Mikke festgenommen hatte. Er hatte seinen Bruder getötet und war zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, von denen er als Ersttäter aller Wahrscheinlichkeit nach nur die Hälfte abzusitzen brauchte. Es war gegen jede Vernunft, mich um einen Menschen zu grämen, der nur kurz in mein Leben getreten war, aber ich grämte mich trotzdem. Ich versuchte, zynisch zu sein und über mich selbst zu lachen, doch das gelang mir nicht immer.
Schon um über Johnny, meine erste Liebe, hinwegzukommen, hatte ich fast zwanzig Jahre gebraucht. Mittlerweile war es überstanden, der momentane Schmerz und die Verwirrung bei unserem Wiedersehen vor einigen Jahren hatten sich aufgelöst, und eine herzliche Freundschaft war zurückgeblieben. Wir telefonierten gelegentlich und trafen uns,
Weitere Kostenlose Bücher