Wie man sie zum Schweigen bringt
Schildkröte hatte sich im Flur auf einem Gummistiefel niedergelassen. Vermissten Schildkröten ihre Herrchen wie Hunde oder Katzen?
Im Wohnzimmer schien sich nichts verändert zu haben, doch bei genauerem Hinsehen bemerkte ich Staub auf dem Bücherregal und Flecken auf dem Tisch. Ich setzte mich auf das himmlisch bequeme rote Sofa. Ob ich mir bei meinem Gehalt ein solches Möbelstück leisten konnte?
»Was habt ihr herausgefunden? «, fragte Tommi und lehnte sich so weit in seinem roten Sessel zurück, dass der Adamsapfel und die Halsadern hervortraten.
»Sagt dir der Name Marko Seppälä etwas? Hast du diesen Mann schon mal gesehen? «
Ich holte Seppäläs Karteifoto aus der Tasche und legte es auf den Tisch.
Tommi griff begierig danach, doch allmählich schwand der Eifer aus seinem Gesicht.
»Nie gesehen. Der Name sagt mir auch nichts. Steht der Mann unter Verdacht? «
»Er ist zur Fahndung ausgeschrieben, aber wir verfolgen noch einige andere Spuren. Denk noch mal genau nach. Seppälä ist ein Kleinkrimineller aus Kauklahti, Vater von drei Kindern. Er fährt ein Motorrad, manchmal auch einen gelben Datsun 100 . «
Tommi Laitinen sah jedoch nicht mehr auf das Foto, sondern lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. Hatte er geahnt, dass sein Lebensgefährte einen anderen hatte? Und wenn nun tatsächlich Eriikka Rahnasto die Täterin war? Dann kam das Motiv spätestens im Prozess zur Sprache. Aber wollte Tommi es wirklich wissen?
Ich dachte an Antti und mich. Würde ich es wissen wollen, wenn Antti ein Verhältnis hätte?
Natürlich.
Mein Handy klingelte, ich entschuldigte mich und ging in den Flur, um das Gespräch anzunehmen.
»Koivu hier. Wir haben Eriikka Rahnastos Motorrad ausfindig gemacht.
Ein hübsches Spielzeug, an die 70 000 wert. Mit rosa Satteltaschen und allem Drum und Dran. Muster und Breite der Reifen stimmen überein. Was jetzt? «
»Nehmt sie am Mittwoch in Empfang. Wir besprechen das morgen früh genauer . «
»Wir fahren jetzt nach Hyvinkää und überprüfen den Hinweis auf Seppälä . «
»Ruf mich danach nochmal an. Wenn wir ihn bloß finden würden«, seufzte ich. Seppälä war so spät zur Fahndung ausgeschrieben worden, dass er sich womöglich längst ins Ausland abgesetzt hatte. Auf den Passagierlisten war sein Name zwar nicht aufgetaucht, aber er konnte mit gefälschten Papieren unterwegs sein. Vielleicht war er auch nach Norden gefahren und bei Tornio über die Grenze nach Schweden gegangen. Ich hatte die Kollegen von der Schutzpolizei gebeten, mehrmals täglich einen Streifenwagen zu seinem Haus zu schicken, aber bisher hatte ihn niemand zu Gesicht bekommen. Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, schlug Tommi Laitinen die Augen auf.
»Ich weiß nicht, ob ich mir nur etwas einbilde«, sagte er langsam, »aber habt ihr schon mit Turo Honkavuori gesprochen? Er hat mich nämlich gestern angerufen. Anfangs klang es, als wollte er mir kondolieren, aber dann begann er sich über Eilas und Petris Babyprojekt auszulassen. Er behauptete, Eila hätte ihm erst am Wochenende davon erzählt, aber ich hatte das Gefühl, er lügt . «
In Gedanken setzte ich die Befragung von Turo Honkavuori auf die ständig wachsende Liste der zu delegierenden Aufgaben. Tommi fragte, ob ich etwas trinken wolle, und ging in die Küche, aus der bald darauf das Surren eines Entsafters zu hören war. Das leuchtend gelbe Getränk, das er mir servierte, schmeckte frisch und säuerlich, es enthielt offenbar außer Orangenauch Pampelmusensaft.
»Ich kenne Turo kaum. Die Honkavuoris waren einmal zum Abendessen hier, und dann auf Petris Geburtstagsparty im Februar, aber Turo hat sich in unserer Gesellschaft unbehaglich gefühlt. Wenn Petri und ich uns auch nur flüchtig berührt haben, hat er jedes Mal höflich weggeschaut . «
»Warum glaubst du, er hätte gelogen? «
»Weil er mich mehrmals gefragt hat, ob ich von dem Plan gewusst hätte und was ich davon hielte. Als ich sagte, ich fände die Idee überhaupt nicht gut und hätte mich deshalb mit Petri gestritten, schien er sich fast zu freuen. Ich weiß nicht . «
Das hatte Kim Kajanus auch gesagt. »Ich weiß nicht . « Ich fragte Tommi Laitinen wieder und wieder nach den Ereignissen der letzten Monate.
»Ab und zu war Petri furchtbar aufgeregt. Ein paarmal hat er in irgendwelchen Papieren geblättert und vor sich hin gemurmelt, wenn er nur wüsste, was er tun soll. Aber als ich fragte, was los sei, gab er mir keine Antwort. Ich dachte,
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