Wie man sie zum Schweigen bringt
mit gespielter Gleichgültigkeit die Achseln, doch mich konnte er nicht hinters Licht führen. Ich klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und machte mich auf den Heimweg.
Zum Abendessen gab es Nudelauflauf ä la Maria, das heißt Hackfleisch und Makkaroni, mit einer Soße aus Eiern, Milch und Schmelzkäse im Ofen gebacken. Iida wollte unbedingt selbst Ketchup auf ihrer Portion verteilen, mit dem Erfolg, dass schließlich sowohl auf dem Tischtuch als auch auf ihrer frisch gewaschenen Hose Ketchupspritzer prangten. Trotzdem gelang es mir, nicht die Nerven zu verlieren. Was machten ein paar Flecken schon aus - der Frühling hielt Einzug, die Sonne wärmte auch abends noch, und ich wollte mit einer guten Freundin ins Kino gehen.
Der Film, den wir uns ansehen wollten, spielte Anfang der 1980er Jahre in Joensuu, nicht weit von meiner Heimatstadt Arpikylä. Um mich in die passende nostalgische Stimmung zu versetzen, legte ich eine Platte von Pelle Miljoona auf, während ich meine verwaschene schwarze Jeans und ein altes Männerhemd anzog. Turnschuhe, eine Lederjacke aus meiner Schulzeit und ein unmodisch dicker, schwarzer Kajalstrich machten den Look perfekt. Pelle Miljoonas Musik verleitete mich zu ein paar Pogohüpfern, an denen Iida ihre helle Freude hatte.
Meine Freundin Leena, in der Arbeitskluft einer wohlbestallten Juristin, erwartete mich im Kinofoyer. Ich hüpfte in meinen Turnschuhen auf sie zu, als ob die grauen Haare an meinem Scheitel nicht existierten. Leena hatte mit mir zusammen Jura studiert und stammte aus dem feinen Helsinkier Stadtteil Kulosaari. Sie war damals eher Abba als Punkfan gewesen, aber natürlich kannte auch sie den Studentenclub »Tavastia« und die Bands, die damals dort aufgetreten waren und nicht mehr als ein paar Akkorde draufgehabt hatten. Unsere Jugend lag so weit zurück, dass es leicht war, unbefangen über sie zu lachen. Wir waren während des Films lauter als die Fünfzehnjährigen im Publikum. Zum Schluss lachte und weinte ich gleichzeitig, aus purer Freude, mein eigenes Leben wiederzuerkennen.
»Jetzt will ich einen Apfelwein oder Stierblut«, sagte ich, als wir uns nach der Vorführung durch die Teenagerhorden drängten. »Gehen wir ins ›Corona‹, da wirst du in deinem Kostüm nicht schief angeguckt . « Da die Getränke, die ich haben wollte, nicht auf der Liste standen, begnügte ich mich mit einem Bier.
»Ein toller Film. Den kann ich meinen Kindern zeigen, wenn sie fragen, wie das Leben in meiner Jugend war«, lachte Leena, die ihren zehnjährigen Sohn bereits vor Drogen und »guten« Onkels warnen musste.
»Na hör mal, wir können unseren Kindern doch nicht von unseren Sauftouren und Sexabenteuern erzählen! «, rief ich beinahe entsetzt. »Ich hab sogar ein paarmal Hasch geraucht! Das braucht Iida nicht zu wissen. Für sie sollen Drogen absolut tabu sein. Findest du das scheinheilig? «
»Schon, aber auch verständlich. Ganz anders als die Scheinheiligkeit von diesem Fatzke, der neulich mit 70 Sachen an der Schule meines Sohnes vorbeigebraust ist und sich aufgeregt hat, als er einen Strafzettel bekam. Irgendein wichtiger Manager, und dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auch für ihn gilt, wollte ihm offenbar nicht in den Kopf. Dabei hatte er gerade erst einen Leserbrief geschrieben, in dem er für hartes Durchgreifen gegen Kriminelle plädierte . «
»Tja, die Loser stehen außerhalb des Gesetzes und die Mächtigen über ihm, so denken heute viele. Aber vergessen wir die Arbeit. Trinkst du noch ein Bier mit? «
Lachend unterhielten wir uns über die Widrigkeiten des Alltags. Das Lachen wirkte wie eine Medizin, die mich leichter atmen und langsamer trinken ließ. Leise waren wir dabei nicht gerade, und ich merkte, wie man uns interessiert und missbilligend zugleich ansah. Es war mir früher schon aufgefallen, dass lachende Frauen Aufmerksamkeit erregten. Sie wirkten einerseits anziehend, andererseits aber auch beängstigend. Vielleicht nahmen wir Raum in Anspruch, der uns nach Ansicht der anderen nicht zustand, mit unserem Lachen zeigten wir dem Lokal, dass wir uns auch ohne Männer blendend amüsierten.
Nach dem zweiten Bier wurde es Zeit, nach Hause zu fahren. Vor dem »Con Hombre« standen zwei Männer und küssten sich leidenschaftlich.
Natürlich kam mir sofort der Fall Ilveskivi in den Sinn, doch ich verscheuchte den Gedanken rasch, indem ich mir den Film noch einmal in Erinnerung rief. In der Zeit, in der er spielte, hatten Mädchen in
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