Wie man sie zum Schweigen bringt
bei der letzten Wäsche der Saum eingerissen war, was ich in der Eile am Morgen nicht bemerkt hatte. Der Schweiß vom Training trocknete während der Fahrt und hinterließ einen klammen Film auf der Haut.
Das Gras in dem winzigen Vorgarten der Seppäläs hatte sich bereits grün gefärbt, neben dem alten Dreirad standen drei nagelneue Kinderräder. Diana brauchte noch Stützräder. Tonys Mountainbike war der Traum jedes kleinen Jungen, Janitas Rad schimmerte in zartem Rosa. Auf dem Blumenbeet unter dem Fenster blühten Traubenhyazinthen.
Die Tür ging auf, bevor wir geklingelt hatten. Ungeschminkt wirkte Suvi jung und müde, das weite Männerhemd ließ sie noch magerer erscheinen. Zum ersten Mal sah ich, wie zerbrechlich sie war.
Im Flur zogen wir die schmutzigen Stollenschuhe aus. Diesmal führte Suvi uns ins Wohnzimmer. Wang stellte den Laptop auf den niedrigen Couchtisch, überlegte es sich dann anders und hob ihn neben sich aufs Sofa. Sie würde es nicht leicht haben, das Protokoll zu schreiben.
Vom Wohnzimmer aus sah man in die winzigen Schlafzimmer. Im einen hatte neben dem Doppelbett nur ein Kinderbett Platz, im anderen stand ein Etagenbett, und der Fußboden war mit Spielzeug übersät.
»Ich hab's nicht geschafft aufzuräumen«, sagte Suvi, als hätte ich ihr einen Vorwurf gemacht. »Muss ich wohl tun, bevor die Sozialtanten wieder schnüffeln kommen . « Sie machte das Fenster auf, stellte einen Aschenbecher aufs Fensterbrett und zündete sich eine Zigarette an. Wang rief das Personalienformular auf und füllte es aus. Suvi war im April 1973 geboren, hatte also mit siebzehn Janita zur Welt gebracht. Jetzt war sie sechsundzwanzig, Mutter von drei Kindern und Witwe.
Ich musste an meine Großmutter denken, der es ähnlich ergangen war. Vielleicht hätte sie gewusst, was sie Suvi sagen sollte. Wahrscheinlich hätte sie versucht, sie zum Durchhalten zu ermutigen, wie es in ihrer Generation üblich war, mit dem tröstlich gemeinten Hinweis, andere seien auch mit solchen Schicksalsschlägen fertiggeworden.
»Ist Marko erschossen worden? «, fragte Suvi, nachdem sie ihre Zigarette halb aufgeraucht hatte.
»Ja . «
»War er sofort tot? «
Am liebsten hätte ich gelogen, doch ich sagte ihr die Wahrheit.
»Er hat also leiden müssen. Scheiße! « Suvis Gesicht war blass und durchscheinend wie Magermilch, aus ihren Augen sprühte Hass. »Ihr denkt natürlich, er hätte es nicht besser verdient, weil er den Schwulen umgelegt hat. Aber einen Killerauftrag hätte Marko nie angenommen. Ich hab gehört, was er gesagt hat, als er seinen Boss endlich erreicht hatte. Der hatte ihm erzählt, der Homo wäre ein erbärmlicher Wicht, der's mit der Angst kriegt, wenn man ihn ein bisschen hart anfasst. Aber dann ist es ganz anders gelaufen. Er hat sich gewehrt, und Marko blieb nichts anderes übrig, als das Messer zu ziehen . «
»Du hast es also die ganze Zeit gewusst? «
»Ja. Komm ich jetzt wegen Beihilfe in den Knast? Marko hat mir nie erzählt, was er macht, damit man mich auf keinen Fall anklagen kann. Diesmal hätte er mir auch nichts gesagt, wenn er nicht solche Angst gehabt hätte . « Sie drückte die Zigarette so heftig aus, dass nur der zusammengepresste Filter übrig blieb.
»Du hast gesagt, Marko hätte verzweifelt versucht, jemanden anzurufen, aber von eurem Anschluss aus sind an dem Abend keine Gespräche geführt worden. Was ist denn nun die Wahrheit? «, fragte ich.
Suvi sah mich von unten her an.
»Marko meinte, die Bullen würden unser Telefon abhören. Er hat gesagt, er traut sich nicht, mich anzurufen, aber er schickt unter falschem Namen eine Karte, sobald er weiß, wie lange er sich verstecken muss. Aber es ist keine Karte gekommen. Er ist weggefahren, und danach hab ich nichts mehr von ihm gehört . « Sie schwankte, schien zu fallen, fing sich jedoch und wischte sich mit dem Hemdärmel über die Augen. »Das ist ein Hemd von Marko, ich hab's aus dem Wäschekorb genommen. Es riecht nach Marko, wie die Bettwäsche. Die werd ich nie mehr wechseln . «
»Suvi, wie hat Marko telefoniert? Unseren Angaben nach hatte er kein Handy. Oder doch? «
»Der Boss hat ihm eins geliehen. Marko sollte ihn damit anrufen, wenn die Sache erledigt war . «
»Wer war dieser Boss? Was hat Marko dir von ihm erzählt? «
»Nichts! Ich hab doch schon gesagt, dass er nie über seine Aufträge gesprochen hat. Geld hatte der Typ jedenfalls. Marko sollte siebzigtausend kriegen, wenn er den Job
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