Wie man sie zum Schweigen bringt
Routine auch noch eine Besprechung der Koordinationsgruppe für die Hauptstadtregion überstehen, doch der Gedanke an Karaoke und ein paar Drinks war verlockend. Wenn ich Iida vorher zu Bett bringen konnte, würde ich nicht einmal meine Mutterpflichten vernachlässigen. Wir verabredeten uns für halb zehn am Busbahnhof. Ich radelte so schnell nach Hause, wie ich nur konnte. Es war sommerlich warm geworden, die Natur setzte alles daran, das langsame Wachstum in den kühlen Wochen wettzumachen. Die Birkenblätter waren schon daumennagelgroß, der Löwenzahn leuchtete mit der Sonne um die Wette. Was meine Stimmung anging, hätte es allerdings November sein können. Ich empfand den Sonnenschein fast als Hohn.
Seit meinem Dienstantritt bei der Espooer Polizei hatte Taskinen als Puffer zwischen mir und den obersten Chefs fungieren müssen. Es war mir nicht klar, ob er den Beschluss, die Voruntersuchung zu beenden, wirklich für richtig hielt. Wahrscheinlich würde ich lange warten müssen, bevor er mir die Gründe darlegte.
Ich wusste, dass es unvernünftig war, mich in derart düsterer Laune in eine Kneipe zu hocken, hatte aber keine Lust, vernünftig zu sein. Ich lieferte mir mit Iida eine Wasserschlacht unter der Dusche und las ihr lange vor. Erst als sie fest schlief, genehmigte ich mir einen Drink, um für den Abend in Fahrt zu kommen.
Antti amüsierte sich über meinen Eifer, zum Karaoke in eine Schwulenbar zu gehen.
»Diese Rasilainen hat bestimmt ein Auge auf dich geworfen, sonst hätte sie dich nicht eingeladen«, zog er mich auf und verwuschelte mir die Haare, die ich gerade gestylt hatte.
»Dummkopf. Sie lebt mit einer Flötistin zusammen, die das betrunkene Grölen nicht abkann. Liisa darf zu Hause nur unter der Dusche singen, dabei hat sie eine tolle Stimme . « Bei der letzten Betriebsfeier war Liisa Rasilainen als Solistin einer Polizeiband aufgetreten, und selbst der zurückhaltende Taskinen hatte sich zu Bravorufen hinreißen lassen.
»Und du gehst nur zum Vergnügen in die Karaokebar, nicht etwa, um etwas über Petri Ilveskivi zu erfahren? «, fragte Antti, und ich wurde rot. Natürlich hatte ich nicht vergessen, dass das »Café Escale« Petris Stammlokal gewesen war. Auch wenn ich die Dienstkleidung zu Hause ließ, trug ich meine berufliche Identität immer mit mir.
Ich zog Jeans, Turnschuhe, ein T-Shirt und ein Flanellhemd an. Es war mir egal, was die Leute aus meiner Kleidung ablesen mochten. Ich tuschte mir nur leicht die Wimpern, so fühlte ich mich sorglos und alltäglich. Eigentlich hätte es mir Spaß gemacht, mich als Primadonna zu verkleiden, doch dann hätte ich mich richtig schminken müssen, und dazu fehlte mir die Zeit. Ich fuhr mit dem Rad nach Olari und nahm dort den Bus. An der Endhaltestelle wartete Liisa Rasilainen, die gerade von einem Betrunkenen um eine Zigarette angeschnorrt wurde. Der Mann wollte ihr nicht glauben, dass sie nicht rauchte, und rief uns Verwünschungen nach, als wir ihn stehen ließen und uns auf den Weg in das Lokal machten. Dort hatte die Show bereits begonnen. Ein Mann, der in seinem Lederanzug aussah, als wäre er eben von einer Harley-Davidson gestiegen, sang mit gefühlvoller Tenorstimme den melancholischen Schlager »Du kehrst nie mehr zurück«. Ich hatte den Verdacht, dass er die sentimentalen Worte ernst meinte.
Wir holten uns an der Bar unsere Drinks, einen Gin Tonic für mich und trockenen Cidre für Liisa. Die meisten Tische waren besetzt, wir zwängten uns an einen Ecktisch, an dem zwei Männer saßen. Der Körpersprache nach waren sie kein Liebespaar. Der eine, ein schlanker Blonder, blätterte eifrig in der Songliste, während sein großer, dunkelhaariger Begleiter sich über jeden seiner Vorschläge lustig machte. Derart boshafte Frotzeleien ließen sich die meisten Leute nur von ihren besten Freunden gefallen. Liisa nahm die zweite Songliste und las sie mir vor. Ich brauchte noch einen zweiten Drink, bevor ich entscheiden konnte, ob ich mich auf die Bühne wagte. Als ich an die Bartheke ging, sah ich Lauri Jensen hereinkommen. Ich rief seinen Namen, doch er hörte mich nicht, denn im selben Moment begann unser blonder Tischnachbar zu singen. Er hatte sich für »Verlass mich nicht« von Mamba entschieden und ahmte den Sänger der Band so täuschend echt nach, dass das ganze Lokal Beifall brüllte. Selbst die Phrasierung war genau richtig.
Der Barkeeper gab mir meinen Drink. Ich schlängelte mich durch die Menge zu Lauri Jensen, der mit
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