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Wie man sie zum Schweigen bringt

Wie man sie zum Schweigen bringt

Titel: Wie man sie zum Schweigen bringt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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anzusehen. Mir war nach Lachen und Weinen zumute, nach beidem zugleich.
    Als das Lied zu Ende war, steckte Kim das Mikrophon in die Halterung und drängte sich durch die Menge, ohne den Beifall und die Pfiffe wahrzunehmen. Aus einem plötzlichen Impuls heraus nahm ich meine Jacke und sagte zu Liisa:
    »Sorry, ich muss gehen. Was Dienstliches. Ich erklär es dir am Montag .  « Ohne mich um den Protest unserer Tischnachbarn zu kümmern, lief ich die Straße hinunter. An der nächsten Ecke holte ich Kim ein.
    »Hallo, Kim«, schnaufte ich. »Wie geht's? «
    Er sah mich wütend an. »Warum hast du mit diesem Lauri geredet? Ist die Polizei nicht an die Schweigepflicht gebunden? « Er ging schnell. Die Hundertneun stand an der Haltestelle, offenbar wollte er mit dem Bus nach Kauniainen.
    »Ich hab ihn nur gefragt, ob du auf der Beerdigung warst, sonst nichts! «
    Ich musste mich anstrengen, mit ihm Schritt zu halten. Zwar war ich es gewöhnt, neben langbeinigen Männern herzulaufen, doch die Drinks und die physischen Anstrengungen des Tages steckten mir in den Knochen.
    »Du vergisst, dass ich Polizistin bin. Bei Mordermittlungen muss man gelegentlich auch unangenehme Fragen steilen .  «
    »Aber der Mord an Petri ist doch schon geklärt! Der Kleinkriminelle hat ihn umgebracht, stand in der Zeitung .  « Er schob die Hände tief in die Taschen seiner Wildlederjacke.
    »Warum bist du zur Beerdigung gegangen, und warum warst du heute im ›Cafe Escale‹? «
    »Das geht die Polizei nichts an! «, giftete er. »Die Einladung zur Beerdigung stand in der Zeitung .  «
    »In welchem Verhältnis stehst du zu Eriikkas Vater? «
    »Was hat Reijo damit zu tun? «
    Wir hatten den Busbahnhof erreicht, ich folgte Kim zur Haltestelle, wo einige Fahrgäste warteten. Er grüßte jemanden und tat, als kenne er mich nicht. Außenstehende mussten den Eindruck gewinnen, eine Frau mittleren Alters versuche verzweifelt, einen fast zehn Jahre jüngeren Adonis aufzureißen. Aber es war mir egal, was die Leute dachten, ich musste mit Kim sprechen. Ich stieg mit ihm ein und setzte mich unverfroren neben ihn.
    »Was hat Petri von Reijo Rahnasto gehalten? Er hat doch sicher gewusst, dass deine Freundin Rahnastos Tochter ist? «
    Er beugte sich zu mir und flüsterte: »Meine Nachbarn sitzen auf der Nebenbank. Eriikka kennt sie. Sei um Himmels willen still! « Obwohl ich dreieinhalb Gin Tonics getrunken hatte, brachte ich es fertig, mich vernünftig zu benehmen. Ich wollte Kim das Leben nicht unnötig schwer machen.
    »Komm mit zu mir! «, flüsterte er plötzlich, als der Bus auf die Kalevalantie abbog. »Eriikka ist in Brüssel. Ich hab meiner Kusine vom Land das Großstadtleben gezeigt«, sagte er dann laut zu seinen Nachbarn.
    »Ich war zum ersten Mal in meinem Leben beim Karaoke«, sagte ich ebenso laut und gekünstelt und biss mir auf die Lippen. Kim sah zweifellos aus wie der Held eines Melodrams, aber musste er sich auch so verhalten?
    Kim wohnte im Zentrum von Kauniainen in einem soliden dreistöckigen Haus. Im zweiten Stock verabschiedeten wir uns von den Nachbarn und gingen hinauf in den dritten.
    Die geräumige Wohnung war sparsam möbliert. Sie bestand aus einem großen Raum, der durch eine Küchentheke und einen verschiebbaren japanischen Wandschirm unterteilt wurde, hinter dem offenbar das Bett stand. An den weiß gestrichenen Wänden hingen einige Fotografien, die Möbel waren aus Chrom und schwarzem Leder. Die Audio und Videogeräte waren mehrere zehntausend Mark wert. Kim Kajanus war kein Bettelknabe. Er rieb sich die geröteten Augen.
    »Die verdammten Kontaktlinsen machen mir immer Probleme, wenn geraucht wird. Warte einen Moment, ich nehm sie raus .  «
    Er verschwand im Badezimmer, ich hörte Wasser rauschen. Als er zurückkam, trug er eine Brille mit brauner Fassung, die ihn älter und härter aussehen ließ.
    »Was soll das eigentlich? Warum warst du im ›Escale‹, du bist doch nicht lesbisch, oder? «
    »Aus demselben Grund wie du. Ich versuche, Petri in meinen Gedanken zum Leben zu erwecken, um herauszufinden, warum er überfallen wurde .  «
    »Zum Leben erwecken«, seufzte Kim. »Das hab ich wahrscheinlich auch versucht. Das heißt, zur Beerdigung bin ich gegangen, um mir klarzumachen, dass er tot ist. Und heute… Petri hat mir erzählt, dass er zum Karaoke geht und an mich denkt, wenn er Liebeslieder singt. Ach Scheiße, das ist alles so lächerlich! «
    Er ließ sich auf das Sofa fallen und vergrub

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