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Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Titel: Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlitt Wendt
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kleine, aber sehr folgenreiche Einschränkung, denn es gibt einen Bereich von cirka fünf Grad, den das Pferd bei gerader Kopfhaltung nicht sehen kann. Dieser tote Winkel außerhalb des Gesichtsfeldes liegt zum Teil genau über dem Rücken des Pferdes, also ausgerechnet dort, wo der Reiter sitzt, und hat schon zu vielen Missverständnissen zwischen Pferd und Reiter geführt. So wie wir das Gesicht des Kindes, das wir auf unseren Schultern tragen, nur sehen können, wenn wir uns den Hals verdrehen, kann das Pferd den Reiter nur sehen, wenn es den Kopf etwas zur Seite bewegt. Ein Jungpferd, dessen Kopf mit Ausbindern fixiert wird, bekommt deshalb leicht Angst vor dem Reiter. Es kann ihn nicht sehen, bis der Reiter zum Beispiel seine Beine bewegt oder mit der Gerte wackelt. Dann taucht unvermittelt eine für das Pferd bedrohliche Bewegung am Rande des Sichtfeldes auf. Hinzu kommt, dass Pferde in diesem Bereich zwar die Bewegungen gut erkennen, aber nicht besonders scharf sehen können. Sie erkennen also nicht, was diese unerwartete Bewegung verursacht und reagieren häufig verunsichert. Werden sie dann auch noch für ihre natürliche Fluchttendenz nach vorn bestraft, entsteht ein unglücklicher Teufelskreis.
    Die zweite Einschränkung der Rundumsicht betrifft den Bereich direkt vor dem Kopf des Pferdes. Vergleichbares gibt es auch bei uns: Wenn wir geradeaus blicken und einen Finger senkrecht immer dichter an die Nase führen, verschwindet der Finger irgendwann scheinbar. Diese Eigenart des Gesichtsfeldes hat den angenehmen Effekt, dass unsere eigene Nase nicht ständig im Bild stört. Wir wissen das verstandesgemäß. Für unser Pferd ist ein Gegenstand dort möglicherweise tatsächlich wie vom Erdbodenverschluckt, und es ist erschreckend, wenn dieser Gegenstand dann wie aus dem Nichts heraus wieder erscheint.
     

    Das Gesichtsfeld des Pferdes: Der grün gekennzeichnete Bereich (1) ist für das Pferd am besten zu erkennen. Undeutlich sieht es den weißen Bereich (2), während sich Dinge innerhalb des roten Bereichs (3) im toten Winkel befinden. Deshalb muss das Pferd zum Beispiel beim Anreiten von Hindernissen die Möglichkeit haben, den Kopf genügend hoch zu tragen, damit es den Sprung taxieren kann.
     
    Was die Farbwahrnehmung angeht, so können Pferde wohl auch verschiedene Farben erkennen. Dabei können sie die Kontraste zwischen gelb und blau besonders gut wahrnehmen, während verschiedene Grüntöne wohl eher wie unterschiedliche Grauabstufungen wirken. Vermutlich sehen auch alle Rot- und Orangetöne für Pferde ähnlich aus. Allerdings bestehen nach wie vor viele Unsicherheiten unter Wissenschaftlern, und manche Erkenntnisse widersprechen sich alle paar Jahre.
    Ein letzter wichtiger Punkt ist das räumliche Sehen. Wir Menschen können nur das räumlich sehen, was wir mit beiden Augen gleichzeitig betrachten. Das ist beim Pferd nicht anders. Es sieht einiges auf seiner rechten Seite mit dem rechten Auge, einiges auf der linken Seite mit dem linken Auge. Nur das, was in einigem Abstand vor dem Pferd liegt, kann mit beiden Augen gleichzeitig fokussiert werden und erscheint dann räumlich. Nur dort können Entfernungen korrekt abgeschätzt werden. Zwischen einzelnen Pferdetypen gibt es hier deutliche Unterschiede. Viele arabische Vollblüter haben beispielsweise etwas enger beieinander liegende und hervorstehende Augen. Sie können in einem größeren Bereich dreidimensional sehen als viele Traber, die seitlicher am Kopf liegende Augen haben.
     
    Das Leuchten in ihren Augen

Für starke, plötzliche Lichtreize – zum Beispiel durch den Blitz eines Fotoapparates, in den man direkt hineingeblickt hat – sind unsere Augen nicht geschaffen. Für einen kleinen Moment, bis sie sich wieder erholt haben, sind wir praktisch blind. Pferde machen diese Erfahrung viel häufiger, da ihre Augen besonders lichtempfindlich sind. Grund dafür ist eine spezielle Schicht im Auge, das Tapetum lucidum, das auch den Leuchteffekt in Katzenaugen auslöst. Es verbessert das Sehvermögen auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen, da es das Licht in das Auge zurück reflektiert. Unser Pferd könnte – theoretisch – in der Dämmerung noch lesen, wenn wir längst nichts mehr erkennen würden. Für das Pferd ist diese Fähigkeit überlebenswichtig, da Raubtiere in der Steppe auch im Dunkeln jagen.
Diese besondere Lichtempfindlichkeit macht Pferden in Hell-Dunkel-Situationen zu schaffen. So weigern sie sich scheinbar grundlos, aus der

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