Wie redest du mit mir
verwechseln. Jedenfallsverhalten sie sich so, wenn sie in einem Gespräch die Zuhörer-Rolle einnehmen sollen. Der geübte Weghörer zieht alle Register, um seinen Sprecher zu irritieren.
Eine ebenso wirksame wie beliebte Methode ist es, mit dem Gesprächspartner keinen Blickkontakt zu halten. Ein Paradebeispiel hierfür ist der in so vielen Karikaturen und auch in Wirklichkeit vorkommende Ehemann, der am Frühstückstisch die Zeitung liest, während seine Frau verzweifelt versucht, mit ihm zu sprechen. Er lässt sich vielleicht zu einem jovialen – »Aber ich höre dir doch zu, mein Schatz; sprich ruhig weiter« – hinreißen. Doch in diesem Fall nützt diese Aussage der Sprecherin herzlich wenig. Der Zeitung lesende Ehemann kann seiner Frau sprachlich noch so oft bestätigen, dass er ihr zuhört. Durch den mangelnden Blickkontakt signalisiert er ihr auf der nichtsprachlichen Ebene das genaue Gegenteil. Die Folgen sind Unsicherheit und zunehmende Frustration auf Seiten der Sprecherin. Mangelnder Blickkontakt erschwert ein Gespräch also ganz erheblich. Besonders deutlich wird das, wenn einer der beiden Gesprächspartner aus äußeren Gründen gezwungen ist, seinen Blick auf anderes zu konzentrieren. Vielleicht kennen Sie die Situation, dass Sie am Steuer eines Wagens sitzen, und Ihr Beifahrer beginnt, mit Ihnen ein wichtiges Thema zu besprechen. Die einfachste und wirksamste Möglichkeit, dem Sprecher zu zeigen, dass Sie am Thema interessiert sind und aufmerksam zuhören, wäre ihn anzuschauen, und genau dieses kommunikative Bedürfnis dürfte schon zu einigen Auffahrunfällen geführt haben.
Doch sogar den so positiven Einfluss des Blickkontakts auf das Gespräch kann der geübte Weghörer in sein Gegenteil verkehren, nämlich wenn er sich im Übrigen um ein Pokerface bemüht und sein Interesse am Sprecher mit keiner Miene, keinem Nicken oder keinerlei bestätigendem»Mhm« oder »Ja« signalisiert. Der jeweilige Sprecher dürfte sich dann durch diesen »Blickkontakt pur« eher beobachtet und angestarrt vorkommen als zum Weitersprechen ermutigt.
Zweite Weghör-Regel: Immer schön »cool« bleiben
Diese zweite Weghör-Regel hat viel Ähnlichkeit mit der »Pokerface«-Regel, ja, sie ist die sprachliche Ergänzung zum nicht – sprachlichen Pokergesicht. Ganz egal, was der Sprecher auch sagt und zu welchem Zweck, er ist angewiesen auf die Reaktion des jeweiligen Zuhörers. Wenn nun keinerlei Reaktion erfolgt, das heißt, wenn der geübte Weghörer einfach nicht rückmeldet, was das Gesagte in ihm auslöst, dann ist die Verwirrung, Unsicherheit und Frustration auf Seiten des Sprechers groß. Dieser kann dann weder einschätzen, was beim anderen ankam, noch wie es ankam. Je nach Laune und eigenem Kommunikationsstil wird der Sprecher darauf entweder mit Unsicherheit (»Hast du mich überhaupt verstanden?« »Was sagst du dazu?«) oder mit Wut und verbalen Angriffen (»Da sieht man’s wieder, ich kann sagen, was ich will, du hörst mir eh’ nicht zu.« »Bringst du wieder mal deinen Mund nicht auf?«) reagieren. Der Profi-Weghörer bleibt nach solchen Äußerungen erst recht »cool« und lässt den erregten Sprecher in seiner Unsicherheit zappeln.
Hier zeigt sich besonders deutlich der Einfluss, den der Zuhörer auf das Gespräch hat. Der Sprecher, dem die Rückmeldung über das Gesagte verweigert wird, läuft buchstäblich ins Leere. Und genauso fühlt er sich dann auch.
Neben dem »coolen« Nichtreagieren hat der Weghörer noch weitere Möglichkeiten, den Sprecher auf »coole« Weise zu entmutigen.
Eigentlich noch in der Zuhörerrolle befindlich, kann der routinierte Weghörer zu diesem Zweck auf einige altbewährteVerschleierungs-Regeln zurückgreifen. Dies sind zwar in erster Linie Regeln für den Sprecher, der damit ein Gespräch zerstören kann, doch sind die Grenzen der Sprecher- und Zuhörer-Rollen fließend, wie folgende Beispiele zeigen.
Ohne sich im mindesten inhaltlich festzulegen, geschweige denn zu offenbaren, was gerade wirklich in ihm vorgeht, kann sich der Weghörer z. B. auf ganz »coole« Weise über die Form beklagen, in der der Sprecher sein Anliegen geäußert hat (»Musst du denn so laut, gefühlsbetont, unlogisch, aggressiv, unbedingt jetzt, hier vor allen Leuten usw. sprechen?«). Ein wenig inhaltlicher aber immer noch sehr »cool« und distanziert und wunderbar entmutigend sind Äußerungen wie »Das gehört doch gar nicht hierher«; »Darum geht es doch gar nicht« und
Weitere Kostenlose Bücher