Wie redest du mit mir
auch Persönliches von Ihnen erfahren möchte. Entsetzlicher Gedanke: Aus einem harmlosen Geplauder könnteauf diese Art und Weise ein richtiges partnerschaftliches Gespräch entstehen.
Da ist es schon besser, statt interessierter Fragen ein paar Allgemeinplätze anzubringen, um den Sprecher langsam aber sicher »abzuwürgen«. Beliebte Formulierungen gegen Sprecher, die Ihnen von irgendwelchen Sorgen erzählen, sind beispielsweise: »Das wird schon wieder«; »Ja, ja, so ist das Leben«; »Das geht jedem mal so« und vieles mehr. Damit wird die Höflichkeit gewahrt und dem Sprecher gleichzeitig signalisiert: »Bloß nicht zu vertraulich, wenn ich bitten darf.«
Eine andere Variante der dritten Weghör-Regel richtet sich noch deutlicher nach den skurrilen Höflichkeitsgeboten der Kommunikation aus. Diese Variante missbraucht die Höflichkeitsregel: »Ich darf als Zuhörer den Sprecher nicht unterbrechen.« Und dieses Gebot wird dann bis zum Gehtnichtmehr durchgehalten. Nehmen wir an, der Sprecher gehört seinerseits zu der so häufigen Gattung der Verschleierer. Er redet um den heißen Brei herum, kommt vom Hundertsten ins Tausendste, und Sie können ihm schon längst nicht mehr richtig folgen – eventuell mögen Sie ihm auch gar nicht mehr folgen; verständlich wäre es jedenfalls. Die feinste und konstruktivste Art, darauf zu reagieren, wäre, den Sprecher zu unterbrechen, ihm kurz Ihre Schwierigkeiten beim Zuhören zu erläutern, und vor allem ihm rückzumelden, was Sie bisher überhaupt verstanden haben. Aber wer traut sich schon in einem Gespräch wirklich fair und konstruktiv zu sein? Stattdessen hören Sie dem Verschleierer verbissen zu – in der stillen Hoffnung, dass ihm doch einmal die Luft ausgehen muss – und wenn dieser irgendwann einmal, verunsichert, weil so gar keine Reaktion von Ihnen kommt, sich vorsichtig erkundigt, ob Sie ihn auch wirklich verstünden, antworten Sie mit: »Natürlichverstehe ich das« (höfliche Form), »Selbstverständlich, so kompliziert ist das ja nun auch wieder nicht« (versteckt abwertende Form), »Klar doch, ich bin ja nicht blöd« (aggressiv rechtfertigende Form).
Wir wollen ihnen noch eine weitere Variante der dritten Weghör-Regel »Ich weiß eh’ schon, was du sagen willst«, vorstellen. Sie ist das genaue Gegenteil der eben erläuterten »übertriebenen Höflichkeit« und besteht darin, den Sprecher möglichst rasch zu unterbrechen. Wohlgemerkt: Mit Unterbrechen sind hier nicht kurze Einschübe gemeint, die den Sprecher unterstützen würden (wie z. B. kurzes Zusammenfassen des bisher Verstandenen, interessiertes Nachfragen oder kurzes Rückmelden, was das Gesagte im Zuhörer auslöst); nein, hier handelt es sich um Unterbrechungen, die dem Sprecher das Heft aus der Hand nehmen und ihm beweisen sollen, dass der Zuhörer längst und wahrscheinlich auch noch viel besser Bescheid weiß.
Eine aggressive Form dieser Variante haben wir bereits bei den Verschleierungsregeln vorgestellt – Sie sehen auch daran wieder den fließenden Übergang von der missglückten Sprecherrolle = Verschleierer-Rolle zu der missglückten Zuhörerrolle = Weghörer-Rolle. Diese aggressive Form ist bei Vorstandssitzungen wie bei Gesprächen mit dem Partner gleichermaßen beliebt und äußert sich in Sätzen wie »Also mein lieber Herr Dr. Glatz-Globich, das gehört doch nun wirklich nicht hierher.«
Häufig anzutreffen ist auch die zerstreut abwertende Form des abrupten Themenwechsels. Sie erkennen sie untrüglich daran, wenn Sie Ihrem Partner z. B. erzählen, wie sehr Sie sich auf einen gemeinsamen ganz romantischen Urlaub mit ihm freuen, worauf er Ihnen ins Wort fällt und ganz begeistert von den neuesten Börsenkursen berichtet.
Eine dritte Form des Unterbrechens wirkt weit wenigerprovozierend, ja sie kann sogar, wenn sie gut in Szene gesetzt ist, als echtes Interesse am Sprecher missverstanden werden. Und doch wirkt sie nicht weniger Sprecher abwürgend als die aggressive und die zerstreute Form. Die Masche besteht einfach darin, das Thema des Sprechers an sich zu reißen und dann – je nach eigener Vorliebe – es zum eigenen zu machen (»Also ich reagiere in solchen Fällen ja folgendermaßen …«), es verflachen zu lassen (»In solchen Fällen, sagte schon meine Großmutter, muss man einfach tun, was eine Frau nun mal tun muss«), es in eine mir angenehme Richtung zu lotsen (»Aber mich interessiert daran weniger der persönliche, als der sachliche Aspekt, weil ich
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