Wie Samt auf meiner Haut
Großvater nicht zu sehr
ermüdet, wird Jason erst am Nachmittag zurückkommen.« Es war das erste Mal
seit dem Überfall, daß er sie allein ließ, und er hatte es sehr ungern getan.
»Ich habe
zwei zusätzliche Männer engagiert, die das Haus bewachen«, hatte er gesagt.
»Ludington soll drinnen aufpassen, und die anderen vor und hinter dem Haus.«
»Es wird
schon nichts passieren.«
Er runzelte
die Stirn. »Celia ist aber etwas passiert. Vielleicht sollte ich dich
mitnehmen und nicht aus den Augen lassen.«
Velvet
stützte resolut die Hände in die Hüften. »Nichts ist mir lieber als Ihre
Gesellschaft, Mylord, aber ich weigere mich, mir von Ihrem Bruder in meinem eigenen
Haus Angst einjagen zu lassen.«
Jason
seufzte resigniert. »Vielleicht hast du ja recht. Vermutlich bist du hier
sicherer. Außerdem habe ich viel zu tun und werde eher damit fertig, wenn ich
nicht abgelenkt werde.« Er sah sie mit vielsagendem Lächeln an. »Und Sie, meine
liebe Herzogin, können sehr ablenkend wirken.«
Sie hatte
ihn nicht mehr gesehen, ehe er fortging, doch mit dem Fortschreiten des
Nachmittags und nachdem sie ihre vielfältigen Haushaltspflichten erfüllt hatte,
wünschte sie sich beinahe, sie wäre mit ihm gegangen.
Als Jason
um vier Uhr nach Hause kam und wie immer zielstrebigen Schrittes das
Arbeitszimmer betrat, galten Velvets Blicke als erstes seiner imponierenden
männlichen Erscheinung.
»Wie ich
sehe, hast du ohne mich überlebt«, sagte er sichtlich erleichtert.
»Und Sie
ebenfalls, Mylord. Ich nehme an, mein Großvater ist ebenso wohlbehalten zu
Hause angekommen?«
»Dein
Großvater? Woher soll ich wissen, wie es deinem Großvater geht?«
Alles Blut
wich aus ihrem Gesicht. »Ich dachte, er wäre mit dir zusammen.«
»Das war er
nicht. Ich hätte ihn doch nicht mitgenommen, ohne es dir zu sagen. Soll das
etwa heißen, daß der Earl nicht da ist?«
Velvet
konnte ihre Angst nicht verbergen, als sie aufstand. »Er ... er ist seit heute
morgen fort. Ach, Jason, wo kann er nur sein?«
»Es wird
sehr rasch finster. Wir müssen uns unverzüglich auf die Suche machen. Am besten
fangen wir mit den Männern an, die vor und hinter dem Haus postiert sind.
Hoffentlich hat einer ihn gesehen, als er fortging.«
Velvet
nagte an ihrer Unterlippe. »Daran hätte ich schon früher denken sollen.«
»Es wäre
dir sicher eingefallen, wärest du nicht der Meinung gewesen, er sei mit mir
unterwegs.«
Sehr
wahrscheinlich. Aber nun galt es herauszufinden, wohin ihr Großvater gegangen
war, und ihn ins Haus zurückzubringen.
Jason nahm
ihre Hand. »Komm, Liebes. Ich verspreche dir, daß wir ihn finden werden.«
Velvet
unterdrückte ihre Besorgnis und begleitete ihn zur Haustür. Tatsächlich hatte
einer der Bewacher den alten Earl aus dem Haus gehen sehen.
»Er kam
gleich nach Ihnen heraus, Mylord. Hielt auf den Platz zu, munter vor sich
hinpfeifend. Sah aus, als hätte er ein bestimmtes Ziel vor Augen.«
Velvet
griff nach Jasons Arm. »Auch wenn er ein Ziel hatte, müßte er
jetzt längst wieder zu Hause sein. Ach, Jason, wir müssen ihn rasch finden.«
»Das werden
wir. Ich habe schon den Wagen anspannen lassen.«
Gott sei
Dank. Da Jason nun die Führung übernommen hatte, ließ ihre Angst ein wenig
nach. Zumindest so lange, bis ihr der Mann einfiel, der ihr zur Kneipe gefolgt
war, als sie letztes Mal das Haus verlassen hatte. Du lieber Himmel,
Großvater.
»Du glaubst
doch nicht ... daß jemand ihm etwas antun könnte?« Aus dem fahrenden Wagen
heraus suchten sie die Straßen ab, in denen sie ihn vermuteten.
»Du meinst,
einer der Komplizen meines Bruders? Nein, ich wüßte keinen Grund, warum ihm von
dieser Seite Gefahr drohen sollte.«
Velvet
hatte ihre Zweifel. »Vielleicht braucht dein Bruder keinen Grund. Oder er hat
Großvater entführen lassen, um an mich heranzukommen.«
»Oder an
mich. Wir wissen noch immer nicht mit Sicherheit, ob er entdeckt hat, daß ich
lebe. Ich schätze, es ist möglich, daß mein Bruder seine Finger im Spiel hat.
Aber ehe wir nicht alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, sollten wir
uns auf diese eine Version nicht zu sehr konzentrieren. Der alte Mann ist
vielleicht einfach davongelaufen.«
»Das würde
er nicht tun. Er geht nie allein aus.«
Jason
drückte liebevoll ihre Hand. »In seinem Alter sind Gedächtnislücken sehr häufig
und nehmen mit der Zeit zu. Man kann nie wissen, worauf der Earl noch
verfällt.«
Aber Velvet
ließ sich nicht trösten. In den nächsten
Weitere Kostenlose Bücher