Wie Samt auf meiner Haut
Vielleicht wird er erneut
versuchen, mit uns in Verbindung zu treten.«
»Kann
sein«, pflichtete Lucien ihr bei. »Bis dahin werde ich die Einzelheiten unseres
Treffens festlegen und mit Thomas Randall, meinem Vertrauensmann, darüber
sprechen.«
»Was werden
Sie sagen?« wollte Velvet wissen.
»Daß ich
vermute, der Duke of Carlyle könnte in Schmuggelgeschäfte verwickelt sein und
mein leeres Lagerhaus für seine ruchlosen Zwecke benutzen. Weiter werde ich
sagen, daß ich ein Treffen arrangiert hätte, in dessen Verlauf ich die Schuld
des Herzogs beweisen würde. Und ich werde Randall bitten, als Zeuge zu
fungieren.«
Velvet
nickte begeistert. »Aber Avery wird keine Schmuggelei gestehen, sondern einen
Mord.«
»Wenn alles
gut geht«, rief Jason ihnen ins Gedächtnis und ballte unbewußt die Fäuste.
Velvet
berührte leicht seinen Arm. »Alles wird gutgehen, Jason – es muß gutgehen. Du
bist unschuldig. Es wird höchste Zeit, daß der Wahrheit zu ihrem Recht
verholfen wird.«
Aber Jason
war nicht so überzeugt. So vieles konnte passieren. So vieles konnte
schiefgehen. Teils drängte es ihn, die Rache zu vergessen, nach der er so lange
gestrebt hatte, auf seine westindische Plantage zurückzukehren und das einfache
Leben der letzten Jahre wieder aufzunehmen, doch mußte er an Velvet denken. Ehe
er nicht einen Weg fand, Averys mörderischem Tun ein Ende zu bereiten, schwebte
sie in unmittelbarer Lebensgefahr.
Vor ihm
blitzte ein Bild auf ... Velvet in der Dunkelheit, ihr entsetztes Gesicht, blitzender,
todbringender Stahl. Er schloß die Augen, als er sie sich in ihrem Blut liegend
vorstellte, tot in der rattenverseuchten Gasse.
Er spürte
Übelkeit, doch schon im nächsten Moment veränderte sich das grausige Bild. Die
Blutlache lief auf ihn zu, über das schräge Deck eines Passagierseglers. Er
hörte die Schreie der Frauen, ihr Flehen um Hilfe.
Jason
stützte sich haltsuchend auf den Tisch, um das Bild zu verdrängen, doch die
rote Lache breitete sich weiter aus und bildete eine Blutpfütze zu seinen
Füßen. »Nein...«, flüsterte er, während die Schreie immer lauter wurden.
Vergeblich versuchte er, die Geräusche abzublocken, und auch das Blut hörte
nicht auf zu fließen. Er wollte davonlaufen, konnte sich aber nicht rühren. Er
mußte fliehen. Er mußte ...
»Jason?
Jason, was ist mit dir?«
Ihre sanfte
Stimme drang süß und besorgt an sein Ohr. Die rote Pfütze verblaßte, die
Schreie wurden leiser und zogen sich in den Hintergrund seines Bewußtseins
zurück.
»Jason?«
Sie umfaßte seinen Arm, und er spürte, wie er zitterte. »Liebster, wie fühlst
du dich?«
Die
Liebkosung war wie Balsam. Als er den Kopf schüttelte, um ihn zu klären,
merkte er, daß er sich noch immer an den Tisch klammerte. »Entschuldige. Ich
war nur ... ich wollte nicht, daß es passiert.« Er glühte vor Verlegenheit.
»Schon
gut.« Ohne ihn wie befürchtet um eine Erklärung zu bedrängen, gab sie ihm einen
leichten Kuß auf die Wange. »Sicher ist deine Müdigkeit daran schuld. Ihr habt
erledigt, was ihr wolltet, und der Marquis wollte eben gehen.«
Er spürte
den festen Griff seines Freundes an seiner Schulter. »Du wirst dich jetzt
ausruhen. Alles übrige überlasse getrost mir. Sobald alles geregelt ist, schicken
wir deinem Bruder eine Nachricht.«
Jason
nickte nur. Seine Gedanken waren noch immer in Aufruhr. Bilder von Tod und Blut
waren haftengeblieben und erhöhten seine Sorge um Velvet.
O Gott,
wenn ihr etwas zustieß, war es seine Schuld, noch ein schwarzer Punkt auf
seiner langen Sündenliste.
Es war ein
Gedanke, zu schrecklich, um dabei zu verweilen.
Christian Sutherland, sechster Earl of
Balfour, kam sich wie ein kompletter Idiot vor. Im Garten des Stadthauses des
Duke of Carlyle versteckt, harrte er in der Finsternis wie ein liebeskranker
Jüngling aus, um einen Blick auf Mary Sinclair zu erhaschen.
Es war die
zweite Nacht, die er hier verbrachte, zwischen Topfpflanzen auf der Lauer
liegend, verborgen hinter Geranien, in der Hoffnung, Marys Aufmerksamkeit zu
erregen und einen Moment der Zweisamkeit zu ergattern. Er wußte, daß sie wieder
in London war. Noch immer in tiefer Trauer um ihren Vater, verließ sie das Haus
nicht, doch der Herzog hatte kein Geheimnis daraus gemacht, daß er sie nach London
mitgebracht hatte.
»Die Kleine
weiß, daß es besser ist, sich mir nicht zu widersetzen«, hatte er sich
gebrüstet. »Sie tut, was ich sage, und das ist gut so. Leider zeigt sie keine
Vorliebe
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