Wie Samt auf meiner Haut
Stunden suchten sie unermüdlich ganz
Mayfair bis Piccadilly ab und weiter bis St. James, und fragten unentwegt, ob
jemand ihn gesehen hätte.
In der Pall
Mall glaubte ein Mann, dem alten Earl am Morgen begegnet zu sein, und ein
anderer meinte, jemanden, auf den die Beschreibung paßte, am späten Nachmittag
beobachtet zu haben. Sie setzten die Suche bis zur völligen Erschöpfung Velvets
fort. Erst nachts um elf Uhr gab Jason dem Kutscher gegen ihren Willen
Anweisung, er solle nach Hause fahren.
Um
Mitternacht war Velvet außer sich und untröstlich.
»O Gott, wo
kann er nur sein?« Sie lief im Salon auf und ab, immer wieder einen Blick
hinaus in die Dunkelheit vor dem Fenster werfend.
»Leider
kann er überall sein. Wahrscheinlich hatte er Geld bei sich. Vielleicht hatte
er soviel Verstand, sich irgendwo ein Quartier zu mieten, als es dunkelte.«
»Und wenn
man ihm etwas angetan hat? Wenn er jetzt irgendwo auf der Straße liegt,
zusammengeschlagen, verletzt, und sich fragt, warum ihn niemand sucht?
Schlimmer noch, was ist, wenn er entführt wurde? Wenn der Mann, der mich
angriff ...«
»Hör auf! «
Jason schüttelte sie an den Schultern und gebot ihr Einhalt. »Hör sofort auf!
Wir haben keine Ahnung, ob etwas auch nur annähernd Ähnliches passiert ist.
Ehe wir nicht genau wissen, was los ist, werde ich nicht zulassen, daß du dich
so quälst.«
Velvets
Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe so große Angst. Ich muß ihn finden,
Jason – ich muß. Meine Familie ist tot. Mutter und Vater leben nicht mehr.« Sie
fing zu weinen an, so daß er sie in die Arme nahm. »Er ist alles, was mir geblieben
ist, Jason. Er ist alles, was ich habe.«
»Wir werden
ihn finden. Bitte, weine nicht. Mein Wort darauf. Sobald es tagt, nehmen wir
die Suche wieder auf. Lucien wird kommen, und wir werden Leute anstellen, die
uns helfen.«
Ihre Tränen
benetzten sein weißes Hemd, aber Velvet konnte nicht aufhören zu schluchzen und
klammerte sich an seine Jackenaufschläge. »Er war immer so gut zu mir. Großvater
ist das einzige Stückchen Familie, das ich je hatte. Mama starb, als ich ganz
klein war, und mein Vater war nie da. Wäre Großvater nicht gewesen, ich hätte
nicht gewußt, was ich tun soll.«
Er hob ihr
Kinn an und strich zärtlich über ihre Wange. »Du hättest es gemeistert. Du
wärest stark gewesen wie immer.«
Velvet
schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Großvater war es, der mich lehrte,
stark zu sein. Er schenkte mir den Mut, mich der Welt ohne Scheu zu stellen.
Als mein Vater starb und wir entdeckten, daß er unser gesamtes Vermögen
verspielt hatte, war es Großvater, der mich überzeugte, daß ich uns retten
könnte.« Sie blickte mit tränenüberströmten Gesicht zu ihm auf. »Du wirst
fortgehen, Jason. Wenn nun auch Großvater fort ist, habe ich niemanden mehr.
Ich bin nicht annähernd so stark, wie du glaubst.«
Er drückte
ihr liebevoll einen Kuß auf die Stirn. »Du wirst mich haben, Velvet. Auch wenn
ich nicht da bin, kannst du mit meiner Hilfe rechnen. Solltest du jemals etwas
benötigen, brauchst du mich nur zu verständigen.«
Velvet
blickte zu ihm auf. »Ich brauche jemanden, der mich liebt, Jason. Wirst du mir
das auch geben können?«
Etwas
blitzte in seinen Augen auf, etwas Schmerzliches, Flüchtiges. Jason gab keine
Antwort. Er stand nur da und sah sie an, während sich ungezählte und
unergründliche Fragen und Antworten in seinem Gesicht widerspiegelten.
Als sich
das Schweigen zwischen ihnen in die Länge zog, machte Velvet sich von ihm los.
»Morgen wird ein langer Tag«, sagte sie mit einem bebenden Atemzug. »Ich denke,
wir sollten versuchen ...«
Er stand
auf, ehe sie den Satz beenden konnte. »Ja... das sollten wir.« Einen Arm um
ihre Taille, führte er sie aus dem Salon und die Treppe hinauf. Vor ihrer Tür
angelangt, folgte er ihr in ihr Schlafzimmer, anstatt sie alleine zu lassen.
Ohne ein Wort drehte er sie um und machte sich daran, ihr Kleid aufzuknöpfen.
»Was ...
was machst du da?«
Er war mit
den Knöpfen fertig und löste nun die Verschnürung ihres Korsetts. »Ich bringe
dich zu Bett. Ich bin dein Mann, zumindest im Moment. Und solange ich das bin,
kann ich dich lieben. Ich werde versuchen, achtzugeben. Sollten sich trotzdem
Folgen einstellen, werden wir uns später damit befassen.«
Glühende
Hitze erfaßte sie, ihre Brustspitzen wurden hart. »Möchtest du es auch?«
Sein Blick
blieb an ihren Lippen hängen. »Velvet, ich bin ein Mann. Ich habe
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