Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Samt auf meiner Haut

Wie Samt auf meiner Haut

Titel: Wie Samt auf meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
Vom Netzwerk:
Antwort. Etwas stimmte nicht – daran bestand kein Zweifel. Der Gemahl
der Lady sollte hängen. Er wünschte, er hätte etwas tun können, um es zu verhindern.
Da seine Bemühungen bisher aber nicht den geringsten Erfolg gezeitigt hatten,
war es nun gewiß nicht zuviel verlangt, wenn er sie sicher nach Newgate
begleitete.
    Der Wagen
rollte zunächst durch dunkle, stille Straßen, je näher sie ihrem Ziel jedoch
kamen, desto lauter wurde das städtische
Getriebe. Lumpenhändler und Kohlenverkäufer, Kaminkehrer und Bettler drängten
sich in den Straßen und Gassen. Durch das Wagenfenster drangen der Gestank der
Gosse und die Rufe der Händler, die ihre Waren laut feilboten, während sie
dahinratterten, unter zahlreichen hin und her baumelnden Schildern hindurch,
und schließlich vor den Gefängnistoren anlangten.
    Ludington
half Velvet aus dem Wagen, erstaunt, wie fest sie seinen Arm umklammerte. Er
mußte gespürt haben, wie sehr sie seine Stütze brauchte, denn er ließ es sich
nicht nehmen, sie bis zum Büro der Gefängnisverwaltung zu eskortieren.
    Geld
wanderte von einer Hand in die andere, mehr als erwartet. Es war unwichtig.
Sie war bereit, jede Summe zu bezahlen, um das Ziel zu erreichen, dessentwegen
sie gekommen war. Sie ging mit dem Versprechen des Aufsehers – ein paar
weitere Goldguineen hatte es sie gekostet –, daß man für Jason eine andere
Zelle bereitmachen würde, in die er am Morgen verlegt werden solle. Dann
öffnete sich eine schwere Tür, und sie und Mr. Ludington wurden in das Innere des
Gefängniskomplexes geführt.
    Ein dicker,
bärtiger Aufseher wies ihnen mit blakender Laterne den Weg. Seiner Kleidung
haftete ein untilgbarer Geruch nach der Ausdünstung ungewaschener Körper, nach
Schweiß und Schmutz an, der sich mit dem fauligen Brodem, der in der Luft hing,
vermischte und bewirkte, daß Velvets Magen in Aufruhr geriet. Doch als sie den
dunklen gemauerten Gang zwischen den vor Feuchtigkeit und Schimmel glitschigen
Wänden hinuntergingen, an denen ihr Mantel streifte, hatte sie sich schon fast
an die üblen Gerüche gewöhnt.
    In den
Zellen, an denen sie vorübergingen, kauerte zusammengedrängt menschlicher
Abschaum. Ekel würgte Velvet, als sie die zotigen Rufe hörte, die ihr folgten,
das Stöhnen der Kranken und Sterbenden. Klauenähnliche Finger griffen zwischen
den Stäben hindurch nach ihr. Ludingtons Arm fester umfassend, ging sie
unbeirrt weiter und zwang sich, geradeaus zu blicken und nicht an die Elenden
zu denken, die in dieser Hölle dahinvegetierten.
    Sie
zitterte, als sie die Tür zu Jasons Zelle erreichte, und daran war nicht die
eisige Kälte schuld, die durch den Gang herunterwehte.
    »Da wären
wir, Miß.« Der dicke Aufseher steckte einen Schlüssel in das massive Schloß,
das ein metallisches, scharrendes Quietschen von sich gab. Er griff nach einer
kleinen Talgkerze, die neben der Tür stand, zündete sie an und reichte sie
Velvet. »Sie haben eine Stunde Zeit, mehr nicht.«
    Velvet
nickte und nahm die Kerze mit unsicheren Händen in Empfang. »Danke.«
    Ludington
trat neben sie. »Ich warte hier, Mylady. Direkt vor der Tür. Wenn Sie mich
brauchen, rufen Sie.«
    Sie zwang
sich zu einem Lächeln. »Schon gut.« Aber nichts war gut. Der Gedanke, daß Jason
an einem Ort wie diesem festgehalten wurde – und das nicht zum erstenmal –,
ließ sie bis ins Mark erschauern. Nun erst hatte sie einen Begriff von den
Wurzeln des Schmerzes, der seine gequälte Seele aufzuzehren drohte.
    Ach, mein
Geliebter, wenn ich dich davor nur hätte bewahren können, dachte sie. Von dem
verzweifelten Wunsch erfüllt, etwas für seine Befreiung tun zu können, schwor
sie sich wie schon sooft, daß sie einen Weg finden würde.
    Sie atmete
tief durch, um sich Mut zu machen, ehe sie die dunkle Zelle betrat. Der
Schlüssel knirschte im Schloß, als der Wärter hinter ihr wieder zusperrte.
    »Jason?«
Verwundert, warum er ihr nicht entgegenkam, hob sie die
Kerze und suchte den Raum ab. »Jason, ich bin's, Velvet. Wo bist du?«
    Noch immer
keine Antwort. Ein leises Kratzgeräusch, als kleine Füße über den nackten Boden
huschten. Velvet mußte sich auf die Lippen beißen, um nicht aufzuschreien. Nur
eine Ratte, hier unten die kleinste ihrer Sorgen ... Sie leuchtete mit der
Kerze in die letzte Ecke. Wo war er? Hatte der Wärter sich in der Zelle geirrt?
    Da sah sie
ihn, auf dem Boden sitzend, mit einer schweren Fußfessel an die Wand gekettet.
Seine Augen standen offen, doch er sah sie

Weitere Kostenlose Bücher