Wie Samt auf meiner Haut
es, ihren bebend geäußerten Worten wenigstens eine
Andeutung von Dankbarkeit zu geben. »Und jetzt möchte ich Sie bitten, mich zur
Treppe zu führen, damit ich meine Suite aufsuchen kann.«
Er nickte
ernst. »Natürlich, Mylady.« Kein Wort fiel zwischen ihnen, als er sie zum
richtigen Gang führte und sie die geschwungene Marmortreppe hinaufstieg.
Tabby
erwartete sie in ihrem Schlafgemach. Velvet sprach nur wenig, als sie sich von
ihrer Vertrauten beim Ausziehen helfen ließ. Sie bedankte sich knapp und
kletterte die Stufen zum riesigen Himmelbett hinauf.
Kaum hatte
sich die Tür hinter ihrer Zofe geschlossen, als Velvet sich erschöpft in die
weiche Federmatratze sinken ließ. Ihr Herz lastete wie ein Zentnergewicht in
ihrer Brust.
Also nicht
nur jason, als den sie ihn kannte, sondern Jason Sinclair – der Mann,
der vierter Duke of Carlyle hätte sein sollen. Der Mann, der heute gekommen war
und sie auf der Terrasse so leidenschaftlich geküßt hatte.
Kein
Straßenräuber, sondern ein Mörder. Gott im Himmel!
Velvet biß
sich auf die Unterlippe, um sie am Zittern zu hindern. Ihre Gedanken waren so
konfus, daß sie nicht imstande war, sie zu ordnen. Wo hatte er sich all die
Jahre versteckt? Warum war er jetzt aufgetaucht?
Ein
einziger falscher Schritt genügte, um ihn wieder hinter Gitter zu
bringen, ein Mensch, der ihn als Erstgeborenen des Herzogs erkannte. Warum
setzte er sein Leben aufs Spiel? Was konnte ihm so wichtig sein?
Velvet
starrte die bernsteingelben Bettdraperien an, die roten Seidenquasten, mit
denen sie gesäumt waren, doch sie nahm sie nicht wahr, da sie vor sich nur ein
Gesicht sah. Jason Sinclair. Duke of Carlyle.
Sie dachte
an seinen verzehrenden Kuß und fragte sich, wo er jetzt sein mochte und warum
er heute gekommen war.
Und sie
fragte sich auch, ob er wirklich ein Mörder sein konnte.
Sie schloß
ermattet die Augen, fand aber keinen Schlaf.
10
Jason stieg die Treppe zu seinem
Schlafraum im Nordturm von Castle Running hinauf, wo er in sicherer Entfernung
vom Haupttrakt untergebracht war und nach Belieben kommen und gehen konnte,
ohne mit jemandem vom Gesinde zusammenzustoßen.
Es war der
schlichteste und urtümlichste Teil des alten Schlosses, vielleicht der Grund
dafür, daß er sich hier sehr wohl fühlte. An den dicken Steinmauern hingen
schwere flämische Tapisserien mit kunstvoll ausgeführten mittelalterlichen
Jagdszenen. Ein normannischer Schild, eine Lanze und zwei gekreuzte Schwerter
bildeten den übrigen Wandschmuck. Das Bett war aus geschnitztem massivem
Eichenholz. Felle lagen darauf, ebenso auf dem Boden mit den groben Dielen.
Ein Feuer
knisterte im Kamin, entfacht von dem treuen Diener, den Lucien ihm zugeteilt
hatte. Jason lächelte beim Anblick der einladenden Flammen und genoß die Wärme,
die die im Turm ständig herrschende Kälte ein wenig vertrieb.
Er schwang
den Mantel von den Schultern und warf ihn auf die Holzbank zu Füßen des Bettes.
Als er sich umdrehte, entdeckte er, daß er nicht allein war.
Lucien
lächelte und erhob sich geschmeidig. »Vermutlich hätte ich ein wenig länger auf
Averys gräßlichem Fest bleiben sollen, aber als ich sah, daß du von deinem
kleinen Ausflug in sein Arbeitszimmer wohlbehalten zurückgekehrt warst, verabschiedete
ich mich. Daß du in deiner Kostümierung auf Probleme stoßen würdest, war nicht
zu erwarten, und es war offenbar wirklich nicht der Fall.«
»Nur ein
kleines, eher amüsantes als ärgerliches Problem.«
Eine
schwarze Braue wurde hochgezogen. »Ja ... ich glaube, ich sah dein kleines
Problem mit dem alten Wüstling Whitmore tanzen. Gegen Ende des Menuetts wurde
er fast zudringlich. Hoffentlich hast du die Dame erlöst, ehe der alte Lüstling
vollends den Verstand verlor.«
Jason
feixte. »Sie war über das Wiedersehen sehr erfreut. Und jetzt behauptest du,
das wäre nicht meiner gewinnenden Persönlichkeit zuzuschreiben, sondern
Whitmores aufdringlichen Annäherungsversuchen, die ihre Freude über mein
Auftauchen auslösten.«
Lucien
grinste. »Zumindest war er für etwas gut.« Er kam näher und sah, daß Jason ein
paar zusammengefaltete Papierbögen aus seiner Westentasche zog. »Aus Averys
Arbeitszimmer?« fragte er.
»Genau. Wie
ich dir schon sagte, wußte ich, wo der Safe sich befindet und wie man ihn
öffnet. Ich war nicht sicher, was ich vorfinden würde, aber wie es sich zeigte,
hatte ich Glück.« Er entfaltete die Blätter und strich sie auf dem schweren
Eichentisch glatt. »Dieses
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