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Wie Samt auf meiner Haut

Wie Samt auf meiner Haut

Titel: Wie Samt auf meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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der
eleganten Salons.
    In der
Waffenkammer standen schimmernde Rüstungen, die schweren Schwerter in der
Scheide, die Lanzen von starren Metallhänden gehalten. Aber ihr besonderes
Interesse galt der riesigen, getäfelten Bibliothek mit den hohen Regalen, in
denen so viele Bücher standen, wie sie sie an einem Ort noch nie gesehen hatte.
    Eine
Bibliothek von Rang bedeutete großes gesellschaftliches Ansehen, etwas, an dem
Avery sehr viel gelegen war. Doch sie traute ihm nicht zu, so viele herrliche
Bücher zusammengetragen zu haben. Sie ließ einen Finger über die Rücken der
Lederfolianten wandern, Bunyans Pilgrim š Progress, das Buch der
Märtyrer von Foxe, die Chronik von Baker. Sie fand auch The Whole Duty of
Man, The Seven Champions, The Tale of a Tub, Turners Spectator. Ein bedeutender Titel reihte sich an
den anderen. Die Vorstellung, daß sie sich hier drinnen die Zeit hätte
vertreiben können, wenn sie Herzogin geworden wäre, entlockte ihr ein
wehmütiges Lächeln.
    Eine hohe
vergoldete Standuhr schlug, als sie wieder hinaus auf den Korridor trat. Von
weitem war noch immer Musik aus dem Ballsaal zu hören. Sie blickte um sich und
überlegte, wie sie zu ihrem Zimmer gelangen konnte, mußte jedoch entdecken,
daß sie in dem weitläufigen Haus die Orientierung verloren hatte.
    Eine
Biegung um die nächste Ecke führte sie in die Lange Galerie, einen schmalen
Bogengang mit Deckengemälden und Dutzenden goldgerahmten Porträts an den
Wänden. Vier Generationen von Herzögen und ihre Väter, Porträts ihrer
Gemahlinnen und Kinder. Ihre Namen waren auf kleinen Silberplaketten unterhalb
jedes Bildes eingraviert.
    »Verzeihung,
Mylady.« Der grauhaarige Butler stand in der Tür. »Es tut mir leid, Sie zu
stören, aber ich sah Sie diese Richtung einschlagen und dachte mir, daß Sie
sich vielleicht verirrt haben.«
    Sie
lächelte über die Besorgnis, die sie in den hageren Zügen des alten Mannes
las, den sie mit jedem Mal, das sie nach Carlyle Hall gekommen war, lieber
gewonnen hatte. »Danke, Cummings, ich habe mich tatsächlich in der Richtung
geirrt. Hier bin ich ganz falsch, aber langweilig war es trotzdem nicht.«
    Aus seinem
Lächeln sprach aufrichtige Wärme, als er sich umdrehte und auf eines der
Porträts deutete. »Das ist der zweite Herzog, Mylady, der Großvater Seiner
Durchlaucht.«
    »Und dieser
imponierende Herr?« Sie deutete auf einen massigen, silberhaarigen Mann auf
einem der Gemälde. »War das der Vater des gegenwärtigen Herzogs?« Sie
versuchte, den Namen auf dem Schild zu lesen, doch das Licht war zu schwach.
    »Ja,
Mylady.«
    »Unglaublich.
Die beiden sehen einander nicht ähnlich.«
    Der Butler
trat näher, bis beide vor dem Bild standen. »Der gegenwärtige Herzog ist der
zweite Sohn seines Vaters. Seine erste Gemahlin starb im Kindbett, und der alte
Herzog vermählte sich kurz darauf wieder. Der gegenwärtige Herzog ist seiner
Mutter, Duchess Clarice, nachgeraten.«
    Velvet
nagte an ihrer Unterlippe. Ihre Stirn war nachdenklich gerunzelt. »Ich wußte
gar nicht, daß Avery einen älteren Bruder hatte.«
    Der alte
Mann nickte. »Ja, Mylady.« Er wandte sich einem Familienporträt zu, das ein
wenig seitlich hing und auf das weniger Licht fiel als auf die anderen Gemälde.
»Das hier ist er. Die Frau neben dem alten Herzog ist seine zweite Gemahlin
Clarice. Seine Durchlaucht ist der blonde Junge links, der ältere Halbbruder
ist der dunkelhaarige Junge rechts.«
    Als Velvet
näher an das Bild herantrat, fing ihr Herz aufgeregt zu pochen an. Das Porträt
stellte eine vierköpfige Familie dar, deren zwei Söhne an der Schwelle des
Erwachsenenalters standen. In den Knabengesichtern spiegelten sich Unschuld,
gepaart mit jugendlichem Ungestüm und der unstillbaren Neugierde dieser Jahre.
Avery war auf den ersten Blick zu erkennen, da er sich nicht viel verändert
hatte. Haare und Teint waren noch immer sehr hell, seine Figur noch immer
schlank, wenn auch etwas gereifter.
    Es war der
andere Junge, der sich stark verändert hatte, und doch erkannte sie eindeutig,
wer er war, als sie einen Kerzenleuchter von einem Tisch in der Nähe nahm und
ihn in die Höhe hielt.
    Jeder
Zweifel war ausgeschlossen ... diese durchdringenden blauen Augen, das
markante Kinn, die starken Wangenknochen, der Schwung der sinnlichen Lippen.
Heute sah er verändert aus, härter, größer, stärker. Zäher. Dem Körper des
Halbwüchsigen war ein Krieger entwachsen. Aus dem Knaben war ein Mann
geworden.
    Velvets
Hand

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