Wie Samt auf meiner Haut
nach Castle Running, dem Landsitz
des Marquis.
Velvet
wollte zu Litchfield gehen und ihn zu dem Eingeständnis bringen, daß er Jasons
Mitwisser war. Sodann wollte sie ein Treffen mit Jason fordern. Aus welchen
Gründen und wie unbeabsichtigt auch immer, Jason Sinclair hatte ihr geholfen,
und nun war die Reihe an ihr, ihm zu helfen. Ich werde einen Weg finden,
gelobte sie sich. Litchfield war erst der Anfang.
Und da sie
genug über Jason wußte, war sie überzeugt, ihn zur Zusammenarbeit überreden zu
können.
Lucien öffnete die Türflügel zum Roten
Salon, trat ein und schloß sie leise hinter sich. Auf einem üppig gepolsterten
roten Brokatsofa sitzend, erwartete ihn Velvet Moran, umgeben von ihren
rostbraunen Röcken, aufrecht, die zierlichen Schultern zurückgenommen. Ihm
entging die Aura der Entschlossenheit nicht, die sie umgab wie starkes Parfüm.
Bei seinem
Eintreten stand sie auf und ging ihm entgegen, um ihn zu begrüßen.
»Mylord, Sie
müssen mein unangemeldetes Erscheinen entschuldigen, aber was ich mit Ihnen zu
besprechen habe, ist sehr wichtig und duldet keinen Aufschub.«
Er nahm
ihre Hand und beugte sich darüber. »Mylady, eine Entschuldigung erübrigt sich.
Der Besuch einer schönen Frau ist immer ein Vergnügen.« Ihre Wangen erglühten
unter seinem Kompliment. Was sie für eine Schmeichelei hielt, war freilich
ehrlich gemeint. Ihre Schönheit war zudem von einer Lebhaftigkeit geprägt, von
einem Temperament, das ihre goldbraunen
Augen belebte und ihr ovales Gesicht mit den pfirsichsamtenen Lippen nahezu
unwiderstehlich machten. Sogar der satte Mahagoniton ihres dichten Haares
schien vor Lebendigkeit und Feuer zu knistern.
»Was ich zu
sagen habe, ist äußerst privater Natur«, sagte sie und nahm auf dem Sessel
Platz, den er ihr anbot.
»Wir sind
hier unter uns. Sie können ganz offen sprechen.« Er ging ans Sideboard und zog
den Stöpsel einer Karaffe heraus. »Darf ich Ihnen Sherry anbieten? Oder
möchten Sie lieber etwas anderes?«
»Sherry ist
mir recht, danke.«
Er ging zu
ihr und reichte ihr ein gefülltes Stielglas aus Kristall. Dann setzte er sich
ihr gegenüber. »Also, Lady Velvet, was möchten Sie mit mir besprechen?«
Zwei
einfache Worte. »Jason Sinclair.«
Er
verschluckte sich fast an seinem Brandy. »Wie bitte, was sagten Sie eben?«
»Mylord,
ich glaube, Sie haben sehr gut verstanden. Ich möchte über Ihren guten Freund
Jason Sinclair sprechen, dem rechtmäßigen vierten Duke of Carlyle.«
Er beugte
sich vor. Seine Augen waren verschattet, schätzten sie aber mit neuem Respekt
ab. »Mein Freund wurde im Gefängnis von Newgate ermordet, Lady Velvet. Da sein
Tod besonders schmerzlich war, spreche ich selten davon.«
Sie
beobachtete ihn so genau wie er sie. »Aber Sie waren sein Freund?«
»Ja.«
»Glauben
Sie, daß er seinen Vater umgebracht hat?«
»Was ich
glaube, ist von geringer Konsequenz, wenn man ...«
»Halten Sie
ihn für schuldig?«
»Nein.«
Sie beugte
sich vor, das Sherryglas fest in der Hand. »Ich auch nicht, Mylord. Wie Sie
glaube auch ich an seine Unschuld.«
»Das ist
sehr tröstlich, Mylady, aber ich begreife nicht, welche Bedeutung es hat ...«
»O doch,
Sie verstehen sehr wohl. Ich glaube, wenn Jason heute noch am Leben wäre,
könnte er Sie noch zu seinen Freunden zählen. Ist es so?«
Sie lockte
ihn in eine Falle. Er sah es kommen, war aber machtlos dagegen. »Ja, so ist
es.«
»Und wir
beide wissen, daß Jason noch am Leben ist, oder?«
Er erwog,
an seinen Lügen festzuhalten, doch ihre Miene verriet, daß sie ihm nicht
glauben würde. »Warum sind Sie gekommen, Lady Velvet?«
Sie
richtete sich auf, ohne den Blick von ihm abzuwenden. »Ich möchte ihn sehen.
Ich glaube, Sie könnten eine Zusammenkunft arrangieren. Und deshalb bin ich
hier, Mylord.«
Er überlegte,
sah das entschlossene Blitzen ihrer Augen. »Es wäre sehr gefährlich ... für
beide. Warum möchten Sie ihn sehen?«
»Wenn ich
Ihnen den Grund nenne, würden Sie es ihm weitersagen, und dann würde er
womöglich nicht kommen. Es muß Ihnen genügen, wenn ich sage, daß ich morgen mit
ihm sprechen möchte. Sollte er nicht erscheinen, wäre ich gezwungen, seine
Identität zu enthüllen.«
Er lächelte
schmallippig. »Ich glaube nicht, daß Sie das tun würden.«
Sie zog
eine Braue in die Höhe. »Aber sicher können Sie nicht sein, und ein Risiko
können Sie nicht eingehen.«
Ihre
Kühnheit war bewundernswert. Mut und Intelligenz waren
ungemein reizvolle
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