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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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ins Gefängnis musste, habe ich ganz alleine zu verantworten. Ich war lange weg, Regis. Da kann man nicht erwarten, dass über Nacht alles wieder beim Alten ist.«
    »Aber warum?«, fragte Regis. »Wir sind doch eine Familie! Ich möchte, dass du nach Hause kommst. Bist du nicht genug bestraft worden?«
    »Meine Strafe hatte nichts mit dir, deiner Mutter oder deinen Schwestern zu tun. Hörst du? Nicht das Geringste. Es braucht seine Zeit, bis alles wieder in Ordnung kommt. Und nun lass uns essen, Regis. Es ist ein wundervoller Abend, und ich freue mich, hier zu sein. Bitte lass uns einfach essen, ja?«
    »Ich habe keinen Hunger.« Regis sprang auf, stürzte tränenüberströmt aus dem Raum.
    Honor fiel es schwer, ruhig zu bleiben. Sie stand auf und ging Regis nach, ließ die anderen schweigend am Tisch zurück. Vor dem Zimmer der Mädchen hörte sie ein ersticktes Schluchzen. Sie klopfte an und trat ein. Regis lag bäuchlings auf ihrem Bett, den Kopf auf das Kissen gepresst, und weinte.
    »Du hast gehört, was dein Vater gesagt hat. Wir müssen ihm Zeit lassen.«
    »Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren«, schluchzte Regis.
    »Schatz …«
    »Du willst ihn ja gar nicht zurückhaben! Das merke ich doch. Du hast ihn heute Abend nur unseretwegen zum Essen eingeladen … weil es unser sehnlichster Wunsch war.«
    Honor setzte sich auf die Bettkante; sie wusste, dass Regis nicht ganz unrecht hatte. Der Brief, den Bernie ihr gegeben hatte, war der andere Grund, dass sie diesem Abend zugestimmt hatte. Kummer und Enttäuschung nagten an ihr. So hatte sie sich ihr Leben nicht vorgestellt – dass sie John nach einer
Haftstrafe
willkommen heißen würde, dass sie versuchen musste, ihre Tochter zu trösten, weil es Dinge gab, die niemand wirklich verstand.
    Autoreifen knirschten auf dem Kies, und das Licht von Scheinwerfern huschte über die Zimmerdecke. Honor verrenkte sich den Hals, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen.
    »Peter ist da«, meinte sie.
    »Sag ihm, ich komme gleich.«
    Honor beugte sich hinab und umarmte sie. Regis lag da, steif wie ein Brett, die Arme um das Kopfkissen geschlungen.
    Johns Heimkehr weckte das Gefühl in ihr, als wäre er Ewigkeiten weg gewesen – als würden sich die Bruchstücke ihres Lebens nie mehr kitten lassen. Sie hatte sich innerlich so weit von ihm entfernt, dass sie nicht wusste, ob sie überhaupt
in der Lage
war, den Versuch dazu zu machen. Sie küsste Regis auf den Scheitel, bevor sie den Raum verließ.
    Als sie die Küche betrat, wo Kerzenschein das Spruchband und die Papierschlangen der Mädchen erhellte, schluckte Honor schwer. Sie sah, wie sich Peter der Fliegengittertür näherte, und ging hin, um zu öffnen.
    »Hallo Peter.«
    »Ich wollte Regis besuchen.«
    »Sie kommt gleich.« Honor deutete in Richtung Tisch. »Setz dich zu uns, ich mache dich mit ihrem Vater bekannt. John, das ist Peter Drake, Regis’ Verlobter.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Peter.« John schüttelte dem jungen Mann die Hand.
    »Ganz meinerseits.« Peters Blick glitt durch die Diele zu Regis’ Tür. Dann sah er Agnes und Cece an, die beide lächelten.
    »So.« John betrachtete Peter mit bewundernswerter Offenheit. Was immer er bei der Begegnung mit dem Verlobten seiner einundzwanzigjährigen Tochter auch empfinden mochte – vor allem nach dem letzten Zusammenstoß –, er ließ sich nichts anmerken.
    Peter lächelte selbstbewusst. Er rückte sich den Stuhl neben dem zurecht, auf dem Regis gesessen hatte, und nahm Platz. Honor reichte ihm einen Teller, und er tat sich Fisch und einen Maiskolben auf. »Isst Regis nicht mit?«, fragte er, sich umschauend.
    »Ich glaube nicht«, erwiderte Agnes. Alle anderen schienen ebenfalls keinen Appetit zu haben – außer Peter, der seinen Maiskolben mit Butter bestrich und genussvoll verzehrte. Agnes und Cece stocherten lustlos im Essen herum, um wenigstens den Schein zu wahren. John und Honor saßen reglos da, unfähig, auch nur einen Bissen herunterzubringen.
    Honor sah John an, der zu lächeln versuchte. Der Abend war ein einziges Fiasko. Sie hatten das Ganze nur den Mädchen zuliebe veranstaltet. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Selbst über den Tisch hinweg sah sie, wie John überlegte. Er erwartete keine Ermutigung, sondern dachte darüber nach, ob er aufstehen und gehen sollte.
    Honor wollte, dass er blieb, und forderte ihn lautlos dazu auf. Er nickte kaum merklich.
    »Essen Sie nichts?« Peter deutete auf die Platte mit den

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