Wie Sand in meinen Händen
gesprochen. Mir nie von jenem Tag erzählt, von Gregory White …«
»Hör auf! Und bezeichne ihn nie wieder als Sträfling.«
»Aber er ist einer. Und es wäre seine Pflicht als Vater gewesen, dich zu schützen.«
Das hatte er getan.
Mehr als irgendjemand ahnen konnte
… Sie schüttelte den Kopf. Was war das für ein Gedanke? Er glich einem Traum, an den man sich nur vage erinnerte, der einem im Kopf herumspukte, an der Grenze des Bewusstseins.
»Vergiss Irland«, fuhr Peter fort. »Auch dieser Ort hier – statt dir zu erlauben, ihn zu begleiten, hätte er froh darüber sein sollen, dass du bei deiner Mutter am Strand bleibst.«
»Er hat es mir nicht erlaubt. Das ist der springende Punkt.«
Regis wünschte, sie hätte Peter nie davon erzählt. Als sie ihren Vater angefleht hatte, ihm beim Bau seiner Burg aus Holz und Felsen helfen zu dürfen, hatte er ihr befohlen, bei Honor und Agnes zu bleiben und am Strand zu spielen.
Und dann war er alleine losmarschiert. Regis hatte ihm nachgesehen, wie er kleiner und kleiner wurde, die Eisenbahnschienen entlangging, das zusammengeklappte Stativ über der Schulter. Sie hatte eine Sandburg für ihn gebaut und auf seine Rückkehr gewartet. Ihre Mutter und Agnes hatten den Sand für die Türme mit Wasser benetzt. Zwanzig Minuten später hatten die Wellen das Bauwerk fortgespült.
Ihr Blick fiel auf einen Ast ohne Rinde und Nadeln, verwittert und silbrig weiß, wie ein ausgebleichter Knochen. Regis überlegte, wie lange er dort schon liegen mochte, ob ihr Vater ihn vor dreizehn Jahren für den Turm seiner Burg verwendet hatte.
»Ich liebe dich, Regis«, sagte Peter. »Ich möchte für dich sorgen, dich beschützen. Aber statt auf irgendwelche steilen Klippen zu steigen, würde ich lieber am Strand bleiben, in der Sonne, und Sandburgen mit dir bauen. Was sagst du dazu?«
»Ich würde sagen, Sandburgen sind nicht von Dauer«, flüsterte sie und blickte in seine klaren blauen Augen, als plötzlich das Pfeifen einer Lokomotive in der Ferne ertönte, schrill, anhaltend und gespenstisch wie ein unheilvolles Omen.
[home]
14. Kapitel
E in Gutes hatte die Leitung eines Konvents, einer Schule oder eines Weingartens: Schwester Bernadette war daran gewöhnt, Entscheidungen zu treffen und für andere mitzudenken. Sie legte Lehrpläne, Dienstpläne, Gebetszeiten, die Fastenordnung und das Datum fest, an dem die neuen Rebsorten geerntet werden sollten.
Auf das Wetter hatte sie natürlich keinen Einfluss – eine Dürreperiode, die für die süßen Trauben gut war, konnte sich auf den Chardonnay verheerend auswirken. Genau wie zu viel Regen die Gefahr einer Wurzelfäule barg, die einmal einen ganzen Hang voller Reben befallen hatte. Doch sie hatte Tom in jenem Jahr dazu gebracht, ihr beim Anlegen von Ablaufgräben zu helfen, und so konnte die Ernte gerettet werden. Wie sie ihren frischgebackenen Studenten immer vor Augen zu halten pflegte: »Gott ist der Steuermann, und ihr rudert. Und rudern ist unerlässlich, wenn ihr in das College eurer Wahl aufgenommen werden wollt.« Und ernten wollt, was ihr gesät habt …
Nun stand sie mit staubigem Habit und Erde unter den Fingernägeln auf der höchsten Erhebung des Weingartens und blickte auf den Strand hinab, wo ihr Bruder arbeitete, der eindeutig in die falsche Richtung ruderte. Genau in diesem Moment hörte sie ein Quietschen, fuhr herum und erblickte Tom, der mit seiner Schubkarre den Weg heraufkam. Sie versuchte, hinter ein paar Rebstöcken in Deckung zu gehen, von denen sie gerade die trockenen Blätter entfernt hatte, aber er hatte sie bereits entdeckt.
»Morgen, Schwester.«
»Hallo Tom.«
»Was machst du denn da?« Die Schubkarre schepperte, als er den Weg verließ und querfeldein den Hügel hinaufstieg.
»Ich schneide die Reben zurück. Ich glaube, wir werden dieses Jahr eine gute Ernte haben.«
»Ja. Sieht ganz so aus. Funktioniert das Bewässerungssystem inzwischen besser?«
»Scheint so. Trotzdem wünsche ich mir Regen. Ich habe Angst, dass der Brunnen austrocknet.«
»Ich behalte ihn im Auge.«
»Als dein Urgroßvater ihn anlegen ließ, hat er sich bestimmt nicht vorgestellt, dass er einmal den Wasserbedarf einer ganzen Ordensgemeinschaft decken muss, die eine Schule und einen Weingarten betreibt.«
»Für ihn ein völlig abwegiger Gedanke. Nonnen und Schnaps, das hätte für ihn nicht zusammengepasst.«
»Das ist kein Schnaps, du Philister«, erwiderte sie mit einem spitzen Lächeln. »Es ist
Weitere Kostenlose Bücher