Wie Sand in meinen Händen
erstklassiger Wein.«
»Wen nennst du hier einen Philister?«, fragte Tom und kam näher.
Bernie wich zurück und wandte sich um. Der Seewind wehte den Hügel empor, blies ihr den Schleier ins Gesicht. Sie spürte, wie Tom sich neben sie stellte, ihrem Blick folgte. Sie schob den Schleier zurück.
»Schau dir meinen Bruder an«, sagte sie. Er stand am Strand neben dem zertrümmerten Felsen. Er hatte Ketten um die größten Bruchstücke geschlungen und sie aus dem Wasser gezogen, über die Gezeitenlinie hinaus. Bernie hatte sein seltsames Treiben schon den ganzen Tag beobachtet. Nun hob er einen Felsbrocken auf seine Schulter, schwankte leicht unter seinem Gewicht und lud ihn auf dem Stapel ab, den er bereits am Strand errichtet hatte.
»Er behauptet, dass er an einer neuen Skulptur arbeitet, aber für mich sieht das nach Buße aus«, sagte Tom. »Könntest du ihn nicht irgendwie dazu bewegen, seine Bürde niederzulegen, so wie es in dem Gospel heißt: ›lay his burden down‹?«
»Ich wünschte, das läge in meiner Macht. Ich wünschte, ich könnte Honor und ihn zur Vernunft bringen.«
»Wirklich? Was würdest du ihnen sagen?«
»Dass sie aufhören sollen, sich selbst etwas vorzumachen. Sie lieben sich. Sie haben drei Kinder …«
»Willst du damit sagen, dass zwei Menschen zusammenbleiben sollten, wenn sie Kinder haben?«, fragte Tom.
Sie funkelte ihn an. »Das habe ich nicht behauptet.«
»Klingt aber so.«
»Warum musst du plötzlich alles so kompliziert machen? Wir waren doch sonst so ein gutes Gespann, arbeiten seit Jahren reibungslos zusammen. Tagein, tagaus. Ich wüsste nicht, wie ich das alles ohne dich schaffen sollte. Und die ganze Zeit gab es kein einziges Problem. Bis jetzt. Was ist los?«
Er schüttelte den Kopf, blickte zu John hinunter. »Es liegt daran, dass ich tatenlos zusehen muss, wie sie alles wegwerfen, was sie verbunden hat. John und Honor.«
»Was hat das mit uns beiden zu tun?«, fragte sie, und Tom warf ihr einen finsteren Blick von der Seite zu, der ihr das Blut in den Kopf steigen ließ. Doch sie weigerte sich, klein beizugeben. »Antworte mir, Thomas Kelly.«
»Spar dir die Tour.« Er packte sie an den Schultern. »Als Mutter Oberin magst du hier einiges zu sagen haben, aber bei mir kommst du damit nicht weit. Auch wenn du für alle anderen Schwester Bernadette Ignatius bist, für mich bist du Bernie. Meine Bernie …«
Sie war wie erstarrt, unfähig, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen.
»Heißt es nicht, die Liebe sei heilig?«, fragte er. »Gibt es eine größere Macht auf Erden, selbst für jemanden, der so religiös ist wie du?«
»Nein«, erwiderte sie leise.
»Was soll ich dann noch sagen?«
»Liebe ist für jeden Menschen anders. Ich liebe Gott. Das ist die Wahl, die ich getroffen habe, das Leben, das ich gewählt habe.«
»Das weiß ich.« Er hielt noch immer ihre Schultern fest und sah ihr in die Augen. Als wollte er sie beschwören, sich aus einem Bann zu lösen … Dann ließ er sie unvermittelt los. »Tut mir leid.«
»Schon gut.«
»Es liegt vermutlich daran, dass John wieder zu Hause ist. Das weckt in mir den Wunsch, dass alles wieder so wird, wie es früher war … Weißt du noch, Bernie? Als wir Kinder waren und auf den Hügeln spielten? Und später, als wir den Wein aus dem Weinkeller meines Großvaters stibitzt und hinter der Mauer ausgetrunken haben?«
»Daran erinnere ich mich noch sehr genau.«
»Damals hast du genauso wie alle anderen gegen die Regeln verstoßen.«
»Stimmt.« Bernie wandte den Blick ab.
»Ich dachte, wir vier würden alle unsere Kinder gemeinsam großziehen.«
»Du hättest heiraten sollen«, flüsterte Bernie. »Dazu ist es noch nicht zu spät … du kannst immer noch eine Familie gründen.«
»Tatsächlich? Es würde dir nichts ausmachen, zuzuschauen, wie ich den Kinderwagen schiebe, an der Seite meiner Frau?«
»Nein. Ich würde es mir für dich wünschen.«
Er sah auf sie herab, und sie bemühte sich, alle Anzeichen von Unruhe aus ihrem Gesicht zu vertreiben. Sie fühlte sie im ganzen Körper, aber alles, was zählte, war, dass Tom nichts bemerkte.
»Ach Bernie. Das hier ist meine Familie.« Toms Blick schweifte über das Anwesen der Akademie, den Weingarten, den Strand und Bernie, die neben ihm stand. Sie spürte, wie sich Tränen aus ihren Augenwinkeln lösten.
Tom streckte die Hand aus. Mit dem Daumen wischte er ihr behutsam die Tränen von der Wange.
»Du hast überall Schmutz im Gesicht. Hat
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