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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Verständnis von ihm, was sie gerade jetzt dringend brauchte. Dann lief sie los, und er ließ sich mitziehen, die schattige Coveview Road entlang, zu der Stelle, an der die Bahnschienen parallel zum schmalen Privatstrand verliefen. Die Sonne schien, aber sie wusste, wenn sie ihn für sich alleine hatte, ohne eine Menschenseele weit und breit, würde es ihr gelingen, das Gefühl jenes magischen Regentages wieder heraufzubeschwören.
    Als sie die Böschung erklommen, sahen sie Schnepfen, die an der Gezeitenlinie entlangstapften. Sie folgten den Schienen, vorbei an einer Seemarsch, golden vom Schlick und mit hohem Gras bewachsen. Regis sah nach unten und entdeckte Blaukrebse, die im seichten Wasser glitzerten und sich eilends im nächstbesten Loch verkrochen.
    Als Peter und sie sich der hohen verrosteten Eisenbahnbrücke näherten, klopfte ihr Herz. Die Brücke überspannte Devil’s Hole, einen von Felsen durchzogenen, zeitweilig trockenen Wasserlauf, der sich bei Flut in ein reißendes Gewässer mit tückischen Strudeln, Wirbeln und Strömungen verwandelte.
    »Wann kommt der nächste Zug?«, fragte er nervös.
    »Möchtest du, dass wir beide aufspringen?« Sie drückte seine Hand.
    »Auf den Schienen zu laufen ist gefährlich.«
    »Wenn etwas passiert, sterben wir gemeinsam«, sagte sie, und er warf ihr einen düsteren Blick zu.
    Die schmale Eisenbahnbrücke hatte es in sich; wenn gerade kein Zug kam, konnte man auf der einen Seite die Böschung zum Strand hinunter oder auf der anderen Seite in Richtung Marsch laufen. Doch wenn eine Lokomotive heranbrauste, während man sich auf der Brücke befand – blieb einem keine andere Wahl als der Sprung ins Devil’s Hole.
    Regis’ Herz klopfte. Sie war schon einmal in das »Teufelsloch« gesprungen und verspürte nun den machtvollen, urwüchsigen Drang, es wieder zu tun.
    Nach beiden Seiten Ausschau haltend und auf nahende Züge lauschend, lief Peter los, rannte, so schnell es ging, über die hohe schmale Brücke. Regis sah ihm enttäuscht nach; sie hätte sich gewünscht, dass er den Nervenkitzel mit ihr zusammen genoss.
    Die Eisenbahnschwellen waren morsch und uralt. Als Regis zwischen den Lücken hindurchspähte, sah sie tief unter sich das reißende Gewässer. Selbst die verwegensten jungen Burschen aus Hubbard’s Point, die um Mitternacht zur Strandpromenade schlichen und sich so lange an die Kabel der Connecticut-River-Brücke hängten, bis ihre Arme erlahmten und sie sich in die tiefe Mitte des Flusses fallen ließen, besaßen nicht den Schneid, ins Devil’s Hole zu springen. Sie hatte das Bedürfnis, Peter zu beeindrucken und als »Kanonenkugel« – angewinkelte Knie, mit dem Gesäß voran – ins Wasser zu springen.
    Doch sie ließ es bleiben. Sie sprang lediglich auf einen glatten Granitfindling und führte ihn über schroffe graue Felsen zu einem mit Kiefern bewachsenen Grat. Wie immer war die Klippe mit abgerissenen Ästen übersät, vom harschen Meerwind entrindet. Oben, auf dem höchsten Punkt, überwuchert von Kletterpflanzen und Zwergeichen, war der Eingang von Sachem Cave. Die meisten Leute wussten nicht einmal, dass die Höhle existierte, doch Regis’ Vater hatte sie in seiner Kunst verewigt und der ganzen Welt gezeigt.
    Sie krochen auf allen vieren unter das Gesims. Sobald sie in der Höhle waren, umarmten sie sich, ihr Herz klopfte. Peter stand so starr da, als wäre er aus Stein.
    »Ist das nicht phantastisch?«
    »Warum muss es immer …« Er verstummte.
    »Muss es immer … was?«, fragte sie, obwohl sie Angst vor der Antwort hatte.
    »Nichts.« Er zog sie an sich und küsste sie.
    Sie sanken auf den kühlen Felsenboden, blickten sich in die Augen und spürten, wie abermals ein Gefühl der Ruhe einkehrte. Regis küsste die sonnenwarme Haut über seinem Schlüsselbein und schmeckte seinen salzigen Schweiß. Sie wünschte sich, die Höhle nie wieder verlassen zu müssen.
    »Mit wem warst du eigentlich beim Angeln?«, fragte sie.
    »Mit ein paar Leuten aus der Clique.«
    »Ausschließlich Jungen?«
    »Regis, hör auf damit.«
    »Ich möchte es nur wissen. War deine Exfreundin aus New York auch manchmal mit?« Die alte Unsicherheit, die sie tief in sich vergraben hatte, kam wieder zum Vorschein.
    »Regis, du bist diejenige, die ich heiraten möchte.«
    »Mochten deine Eltern sie lieber als mich?«
    »Jetzt reicht es.«
    »Sind sie deshalb gegen unsere Heirat?« Sie konnte nicht aufhören.
    »Du kennst den Grund. Es liegt daran, dass wir zu jung

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