Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet
sondern im selbstbewussten Eingeständnis: Es gibt diese Probleme. Wie kann ich sie bewältigen (und nicht: vermeiden)?
Annika räumt nicht gern auf
Marlene Meier, Mutter der zehnjährigen Annika, hatte erst gestern wieder eine ausgiebige Diskussion mit Annika darüber, dass diese ihre Klamotten nicht immer überall rumliegen lassen sollte. Und Marlene ist stolz auf sich. Sie wurde kein einziges Mal laut oder hat gar gebrüllt, wie sie es bei ihrer Mutter manchmal erlebt hatte. Nein, sie empfand die Diskussion mit Annika wirklich als Glanzstunde pädagogischer Überzeugungsarbeit und hört sich selbst noch argumentieren: »Schau mal, Annika, wenn jeder die Dinge immer gleich wegräumt, kann Unordnung erst gar nicht entstehen. Das ist für jeden nur ein kleiner Handgriff. Die Aufgaben sind dann gerecht verteilt, und wir können uns viel Streit ersparen.« So und ähnlich redete sie etwa eine halbe Stunde zu ihrer Tochter und erklärte ihr Anliegen in einem ruhigen Ton. Marlene ist sich sicher, dass Annika endlich begriffen hat, um was es ihr geht. Denn am Ende hat Annika ihr ganz deutlich mit einem »Ist schon okay, Mami« geantwortet.
»Du musst ja nicht streiten!«
Das alles geht Marlene noch einmal durch den Kopf, als sie an diesem Tag vom Einkaufen zurückkommt. Doch ihr hart erkämpfter Optimismus bekommt einen abrupten Dämpfer, als sie die Haustür öffnet und in den Flur sieht. Annikas Jacke und ihre Schuhe liegen über den Boden verstreut, und Marlene Maier stolpert auch noch über den Rucksack. Sie atmet erst mal tief durch und ruft dann in einem ruhigen Ton: »Annika, wir hatten doch abgemacht, dass du deine Klamotten nicht mehr überall rumliegen lässt. Ich hab keine Lust, deswegen schon wieder zu streiten.«
Leicht genervt kommt Annika aus ihrem Zimmer und mault:
»Musste ja auch nicht.« Unwillig sammelt sie ihre Sachen ein.
Marlene spürt, wie Ärger in ihr hochkommen will. In diesem Moment schwört sie sich, auf alle Fälle konsequent zu bleiben. »Ich räum dir jedenfalls nicht mehr hinterher!«, erklärt sie entschieden.
»Schon okay!«, erwidert Annika.
Der betont gelangweilte Unterton in der Stimme ihrer Tochter entgeht Marlene nicht. »Ist es denn so schwer, die Sachen gleich wegzuräumen? Warum musst du immer alles in der Gegend rumschmeißen?«, beschwert sich die Mutter.
»Ich hab’s ja schon weggeräumt. Und mach’s auch nie mehr!«, verspricht die Tochter und verschwindet wieder in ihrem Zimmer.
Marlene seufzt, zieht ihre Jacke aus und hängt sie an der Garderobe auf. Sie ist fest gewillt, die Sache als kleinen Ausrutscher sofort wieder zu vergessen und zu ihrer Gelassenheit zurückzufinden. Da fällt ihr Blick ins Wohnzimmer …
Auch hier hat Annika ihre Sachen nach dem Zufallsprinzip verteilt.
INFO
Die typischen Streitthemen
Die folgenden Themen nennen Eltern als häufigste Anlässe für Konflikte mit ihren Kindern:
die Unordentlichkeit in den Zimmern der Kinder oder deren Neigung, die Schlamperei auf den ganzen Wohnbereich auszudehnen,
die fehlende Mithilfe im Haushalt und die Nichterledigung von vereinbarten häuslichen Pflichten,
die Freizeitwünsche der Kinder und ihre Freizeitgestaltung wie zu viel Computern oder Fernsehen,
die Schule, vor allem die Erledigung der Hausaufgaben, die schulischen Leistungen und das Lernverhalten.
Marlene spürt, wie sich ihre Gelassenheit sofort wieder verflüchtigt und sie in ihrer Wut am liebsten einen handfesten Streit vom Zaun brechen würde. Aber Marlene will sich von ihrer Wut nicht beherrschen lassen. Sie schluckt sie hinunter und erklärt bestimmt: »Annika, jetzt reicht’s! Hier liegt schon wieder etwas von dir rum.«
Mit dem Unschuldsblick eines neugeborenen Babys kommt Annika aus ihrem Zimmer und erkundigt sich: »Wo?«
»Na, da!« Die Mutter deutet ins Wohnzimmer.
»Ach, das. Hab ich ganz vergessen …«, verteidigt sich die Tochter und beginnt aufzuräumen.
»Wir hatten uns doch darauf geeinigt, dass jeder seine Sachen gleich wegräumt!« Marlene ist frustriert, dass ihre Erklärungen anscheinend mal wieder auf taube Ohren gestoßen sind.
»Ich wollte ja aufräumen«, verteidigt sich Annika. »Aber ich musste mal dringend.«
»Doch nicht drei Stunden! An wem bleibt denn immer alles hängen?«, beschwert sich die Mutter.
»Ich versprech’s dir!«
Annika spürt, dass jetzt eine Litanei an Vorwürfen folgen könnte. »Ist ja schon gut, Mama. Ich versprech dir, ich lass nie wieder was liegen.« Und schnell verschwindet
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