Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet
ständig unpünktlich bist!«, schimpft er seinen Sohn. »Du lernst es nie!«
Malte verspätet sich tatsächlich häufiger. »Hab’s vergessen«, versucht der Sohn zu beschwichtigen.
»Du vergisst alles! Es ist zum Mäusemelken mit dir! Nie hältst du dich an unsere Absprache. Du bummelst nur rum. Du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall!«
»Jetzt reg dich ab. Du bist nur schlecht gelaunt«, kontert Malte.
»Bis eben hatte ich gute Laune.«
»Die hast du aber gut versteckt. Dein Gesicht sah schon verärgert aus, als ich zur Tür reinkam.«
»Du wirst immer gleich frech!«, klagt Robert.
»Und du bist immer gleich so verärgert!«
»Jetzt hör aber auf!«, erwidert der Vater scharf. »Ich lass mich von dir nicht provozieren.«
»Ich provoziere nicht, ich stelle nur fest.«
»Du denkst wohl, du hast immer recht?«, brüllt Robert.
»Siehst du, jetzt hast du dich doch provozieren lassen.«
Robert schnaubt vor Wut. »Sei froh, dass ich nicht den Gürtel raushole wie mein Vater früher. Du bist wirklich unmöglich! Einfach unmöglich!«
Malte zuckt betont gelangweilt mit den Schultern. »Was kann ich denn dafür, dass du so eine blöde Kindheit hattest!«
Mit diesen Worten lässt er seinen Vater stehen und verlässt den Raum.
Sätze prägen die Persönlichkeit
Robert Holz scheint ein klares Bild von seinem Sohn zu haben. Er sagt zahlreiche Sätze zu Malte, die diesen klein machen, etwa: »Du bist ständig unpünktlich!« »Du lernst es nie!« »Du vergisst alles!« Oder: »Du bist ein hoffnungsloser Fall!« Bei diesen Urteilen steht nicht der Sachkonflikt – das Unpünktlichsein – im Mittelpunkt der Auseinandersetzung, sondern eine »Beziehungskiste«. Der Vater greift den Sohn direkt an, indem er ihm seine Meinung sagt. Derart vorgefasste Meinungen sind wie eine Wand, an der jeder Vertrauensversuch abprallt. Wenn Sie solche Wände niederreißen, werden Sie ganz neue Seiten an sich und Ihrem Kind entdecken.
Halten Sie also einmal inne, überprüfen Sie Ihre Sicht der Dinge, Ihr Urteil über Ihr Kind, und versetzen Sie sich dazu auch in seine Position. Dabei geht es nicht darum, Schuld anders zu verteilen nach dem Motto: »Nicht das Kind hat die Probleme, sondern die Eltern.« Es geht darum, sich der Macht von Worten bewusst zu werden und nicht vorschnell zu urteilen. Denn indem Sie Ihr Kind VORURTEILSFREIER WAHRNEHMEN , können sich neue Handlungsperspektiven eröffnen, und Sie können neue Lösungen für Konfliktsituationen finden.
Ich-Sätze statt Anklagen
Der Ausweg aus diesem Muster ist denkbar einfach: Lernen Sie, sich anders auszudrücken! Sätze mit »nie«, »immer«, »nur« sind Anklagen. Sie entmutigen das Kind. Solche meist UNZULÄSSIGEN VERALLGEMEINERUNGEN enthalten oft direkte oder indirekte Beschuldigungen. Bei dieser Art der Auseinandersetzung geht es nicht um die Sache, sondern um die Person, etwa: »Du räumst nie auf!« »Du bummelst nur!« »Du kommst immer zu spät!«
Formulieren Sie dagegen ICH-BOTSCHAFTEN , können Sie Konflikte ansprechen, ohne Vorwürfe oder verallgemeinernde Anklagen zu erheben. Sie können dann zum Beispiel sagen: »Ich finde es nicht in Ordnung, wenn du länger als abgesprochen wegbleibst. Ich mache mir dann wirklich Sorgen.« Sind vorher Absprachen getroffen worden, dann könnten Sie fortfahren: »Wir hatten abgesprochen, dass du anrufst, wenn etwas dazwischenkommt. Und ich hatte gesagt, dass du morgen nicht zum Fußballspielen kannst, wenn du das nicht machst. Du warst damit einverstanden.«
Vorsicht, doppelte Botschaften!
Ich-Botschaften können aber auch unangebracht sein, denn manchmal verpacken Eltern ANKLAGEN ODER DRUCKMITTEL darin. Da sendet die Mutter zum Beispiel mit sanfter Stimme und freundlichem Blick ein »Ich bin wütend, dass du zu spät kommst«. Was ist die Mutter nun, sanft und freundlich oder wütend? Manchmal wird daran noch ein »therapeutischer Dialog« gekoppelt. »Ich bin ganz traurig, wenn du das machst«, klagt eine Mutter mit Tremolo in der Stimme ihre Tochter an, die zum wiederholten Mal ihre Freundin besucht, statt Hausaufgaben zu machen. Diese Traurigkeit und Betroffenheit sind nicht echt, sie wirken gespielt. Dahinter ist eine versteckte Anklage zu spüren, und indirekt wird mit Liebesentzug gedroht: »Wenn du das nicht so machst, wie ich es will, hab ich dich nicht mehr lieb.« Das macht ein Kind ratlos, wütend und setzt es unter Druck. Vielleicht ändert es sein Verhalten, aber nicht weil es das will oder einsieht,
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