Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet
wolle er den anderen damit signalisieren: »Gleich werdet ihr sie zu spüren bekommen!« Verunsichert mustert Pauls Mutter, Svenja Müller, ihren Sohn. Würde er auch heute seinem Namen wieder alle Ehre machen?
Kaum betritt Paul die Sandkastenarena, wird der nächste Akt eingeläutet. Zielstrebig schnappt er sich das Sandkastenset von Jeremias, dem Schisser, umklammert die kindgerecht grifffreundliche Schaufel und kippt damit Sand in Zoes frisch gebuddelte Kuhle. »Geh weg!«, zickt Zoe. Paul schaufelt weiter und nimmt jetzt auch den Sand von Oles kaputt geboxtem Berg. »Mein Sand!«, beschwert sich Ole. Paul schaufelt weiter. Ole boxt Paul. »Pass auf, Ole, Paul ist ein Beißer!«, warnt Brunhild Kemper, die Mutter von Jeremias. »Und überhaupt gehört die Schaufel Jeremias!« Paul ist das egal. Er tut jetzt genau das, was alle von ihm erwarteten. Er beißt Ole in die Hand. Und Ole boxt zurück. Dabei trifft er auch Zoe. Die kreischt und kratzt. Paul beißt ihr in den Oberschenkel. Zoe schubst ihn weg. Dabei fliegt er auf Jeremias. Und Jeremias, der Schisser, fängt an zu heulen. Das Chaos im Sandkasten ist perfekt.
In diesem Augenblick denken alle sieben Elternteile dasselbe: »Warum können die Kinder denn nicht schön spielen und sich vertragen? Warum müssen sie beißen, sich schubsen und wehtun, bis ein Kind weint?« Und dann geschieht etwas ganz Unerwartetes.
»Piep, piep, piep, wir haben uns so lieb«
Denn wenn sieben Eltern in einem Moment exakt dasselbe denken, kann es geschehen, dass die gute Sandkastenfee erscheint. Wie gesagt, es kann, muss aber nicht. Das ist so ein magischer Moment. Die gute Sandkastenfee erscheint und erfüllt die Wünsche der Eltern. Und siehe da … aus dem Sandkastenchaos wird eine sozial kompetente Kinderrunde, die auf dem Sandkastengipfeltreffen mit viel Einfühlungsvermögen ein perfekt inszeniertes Konfliktlösungsverhalten zur Schau stellt.
Jeremias übergibt Paul lächelnd seine Schaufel. »Du kannst sie gern haben, wenn du eine Burg bauen möchtest.«
»Danke, lieber Jeremias«, antwortet Paul. »Aber diese Burg möchte ich gern mit dir zusammen bauen.« Und er schaut erwartungsvoll in die Runde. »Ich möchte sie gern mit euch allen zusammen bauen.« Sofort stellt auch Zoe ihre Schaufel zur Verfügung. »Oh ja! Gemeinsam geht alles besser!«
Und Ole strahlt. »Es wird die schönste Burg, die dieser Sandkasten je gesehen hat. Und ich selber werde die Türme bewachen, damit sie keiner niederboxt.«
Und sie fassen sich an den Händen und singen: »Piep, piep, piep, wir haben uns so lieb.«
Und dann beginnen sie, ihre Burg zu bauen …
Und wenn sie nicht gestritten haben, bauen sie noch heute.
Wer nicht reden kann, muss handeln
Solche Sandkastenszenen kennen praktisch alle Eltern. Allerdings ohne Fee, denn SOZIALE KOMPETENZ und Einfühlungsvermögen sind keine Eigenschaften von Sandkastenkindern. Die gehen eher ungehobelt, direkt und handgreiflich miteinander um. Denn sie können sich noch nicht genügend ausdrücken, um sprachlich Grenzen zu setzen. Kinder können im Alter zwischen eineinhalb und drei Jahren noch nicht »Nein!« sagen, wenn ihnen etwas in die Quere kommt. Ihre Mittel sind nur selten sozialverträglich: Die einen schubsen, die anderen spucken, die dritten kratzen, die vierten schlagen oder beißen. Solche Verhaltensweisen hören meist auf, wenn sich Kinder sprachlich verständlich machen können.
»Aber wie soll ich mich denn verhalten, wenn mein Kind ein anderes schlägt, um etwas zu bekommen?«, will eine Mutter wissen. Man kann mit dem Kind in Ruhe SPÄTER DARÜBER REDEN , wie es an das Spielzeug kommt, ohne zu schlagen: »Vielleicht fragst du das andere Kind.« Sätze wie »Du willst doch auch nicht, dass dir jemand wehtut?« sind in diesem Alter noch wenig hilfreich. Nicht zu empfehlen sind auch Aufforderungen zur Selbstjustiz, wie »Wehr dich doch!« oder »Hau zurück!«.
»Hör auf!«
Wendet ein anderes Kind körperliche Gewalt an, um sein Ziel zu erreichen, können Sie mit Ihrem Kind darüber reden, wie es sich behaupten kann. Sätze wie »Nein!«, »Hör auf!«, »Ich möchte das nicht!« oder »Ich will das nicht!« können einem Kind dabei helfen.
Ähnliches gilt für den Umgang mit dem »Beißen«. Beißen erfolgt meist aus einem Reflex heraus, ist also im Kleinkindalter nicht rational gesteuert. Statt dem Kind ständig vorzuhalten, es dürfe nicht beißen, ist es besser, ihm einen Beißknochen aus Plastik oder einen anderen
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