Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet
auf. »Ich hab dir doch erklärt, wie wichtig es ist, die frühkindliche Lernkompetenz zu nutzen. Eine Freundin von mir hat einen Englisch-Tag eingeführt, also einen Tag, an dem sie nur Englisch spricht. Und das hat sie schon getan, als ihr Sohn noch in ihrem Bauch war. Jetzt spricht er mit drei Jahren schon richtig englisch.«
»Na, ja, man kann alles übertreiben«, stellt die Oma fest.
Leonie zupft ihre Oma am Arm und winkt sie zu sich herunter. Sie will ihr etwas ins Ohr flüstern. Die Oma beugt sich zu ihr und schaut sie dabei verschwörerisch an.
»Du, Oma, wir sind heute in den Park gegangen«, flüstert Leonie.
»Und da haben wir unter einem großen Baum gespielt. Also so einem mit stacheligen Früchten.«
»Ich kann die Bewegung der Himmelskörper berechnen, aber nicht das Verhalten der Menschen.«
[ Isaac Newton | englischer Physiker (1642–1726) ]
»Meinst du eine Kastanie?«
»Ja. Da haben wir Kastanien gesammelt, und morgen, da basteln wir damit Tiere.«
»Tiere? Weißt du denn schon was für welche?«
»Mhmmm …« Leonie überlegt einen Moment.
»Ihr wart heute im Park?«, mischt sich die Mutter ein. Ihre Stimme klingt erstaunt. »Ich denke, eure Natur-Erkundungen macht ihr immer donnerstags?«
Leonie nickt.
»Und wieso wart ihr dann heute im Park? Ist dafür etwa Englisch ausgefallen?« Die Stimme der Mutter klingt besorgt und leicht verstimmt.
»So geht das schon die ganze Zeit«
Leonie zuckt mit den Schultern.
»Und wann wird das nachgeholt?«
Leonie zuckt wieder mit den Schultern.
»Ach, Leonie!«, beschwert sich die Mutter verärgert. »Muss ich dir denn immer jedes Wort aus der Nase ziehen?« Und zur Oma gewandt: »So geht das schon die ganze Zeit. Ich frage und frage, und Leonie erzählt nichts.«
Die Oma schaut Leonie interessiert an. »Donnerstags geht ihr immer in den Park?«
»Ja, in den Park, da wo die vielen Bäume sind. Und einmal waren wir sogar im Zoo«, erzählt Leonie. »Und da hat mich ein Elefant mit dem Rüssel angestupst.«
»Und wie war das für dich?«, will die Oma wissen.
Leonie lacht.
»Schatz, jetzt erzähl der Oma doch auch mal was auf Englisch!«, fordert die Mutter sie auf und fügt erklärend in Richtung Oma hinzu:
»Heute hätten sie nämlich eigentlich Englisch gehabt. Diese Ausflüge machen sie sonst nur donnerstags.«
»Aber heute ist doch Donnerstag«, stellt die Oma fest.
»Ach ja?« Die Mutter stutzt.
Leonie lacht ihre Oma amüsiert an.
»Ja, wir hatten ausgemacht, dass ich Donnerstag komme – und hier bin ich.«
»Stimmt, dann muss heute Donnerstag sein«, stellt die Mutter erstaunt fest.
»Und wir sind da!«, verkündet Leonie fröhlich, während ihre Mutter vor ihrem Haus parkt.
Seufzend steigt Sandra aus. »Was für ein Tag!«
»This is a happy day!«, freut sich Leonie und hilft ihrer Oma aus dem Auto.
Das Gesicht von Leonies Mutter hellt sich auf: »Na siehst du, es geht doch«, lobt sie ihre Tochter. »Du musst dich nur trauen, den Mund aufzumachen.«
Wenn Kinder nicht erzählen mögen
Gerade jüngere Kinder wie Leonie sind meist mit Leib und Seele dabei, wenn sie etwas erzählen. Allerdings haben sie aus unterschiedlichen Gründen NICHT IMMER LUST DAZU . Vielleicht sind sie müde oder müssen die Eindrücke erst einmal für sich sortieren, bevor sie den Eltern davon erzählen. Oder sie wollen gerade nicht das erzählen, wonach sie gefragt werden, sondern das, was sie im Moment am meisten beschäftigt. Die Hintergründe sind vielfältig. Fühlen sich Kinder durch Fragen bedrängt, reagieren sie oft einsilbig oder stumm. Häufig ist es konstruktiver, wenn Sie Ihrem Kind Zeit und Raum geben, sich nach der Schule oder dem Kindergarten erst einmal zu finden. Ein wenig GEDULD UND ABWARTEN erhöhen die Chance, dass Ihr Kind von jenen Sachverhalten spricht, die für es momentan wichtig sind. Will sich Ihr Kind nicht öffnen, dann kann das auch mit seinen Vorerfahrungen zu tun haben. Bekommt es auf seine Erzählungen nur wenig Resonanz, dann hat es auch wenig Lust, sich mitzuteilen.
»Erzähl mal, was ist heute so passiert?«
Reagiert ein Kind, so wie Leonie in dem Beispiel, gar nicht mehr auf Fragen ihrer Mutter, kann das auch daran liegen, wie die Mutter fragt. Die Psychologin Martine Delfos hat darauf hingewiesen, dass viele Fragetechniken Kinder taub werden lassen. Dabei sind es vor allem die »WIE«- UND »WARUM«-FRAGEN , die Delfos als geschlossene Fragen bezeichnet, die für Kinder unangenehm sind, weil sie sich wie in
Weitere Kostenlose Bücher