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Wie soll ich leben?

Wie soll ich leben?

Titel: Wie soll ich leben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bakewell
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müsse «gedämpft und gedunkelt» werden, um sie an die «Finsternis unsres irdischen Daseins» anzupassen. «Es istunnötig, das menschliche Tun und Treiben allzu tief und scharf auszuleuchten.» Nichts sei gewonnen, wenn man sich wie Tasso mit seiner eigenen Brillanz blendet. Besser, man mäßigt sich, bescheidet sich und legt sich nicht allzu sehr fest. Alles Übrige könne man getrost der Natur überlassen.
    Auch in seinen letzten Lebensjahren arbeitete Montaigne an den Essais , abgeklärter als je zuvor. Er zog sich wieder in seinen Turm zurück, korrespondierte aber weiterhin, unter anderem mit König Heinrich IV. Und er traf sich mit Freunden, Schriftstellern und ehemaligen Kollegen aus Bordeaux, unter ihnen Francis Bacons Bruder Anthony. Am 27. Mai 1590 feierte seine Tochter Léonor auf Montaignes Anwesen ihre Hochzeit mit François de la Tour. Im darauffolgenden Jahr wurde Montaigne Großvater, als Léonor am 31. März 1591 ihre Tochter Françoise zur Welt brachte. Er ergänzte seine Essais durch letzte Hinzufügungen und Anekdoten und durch abschließende Gedanken über die Kunst des Lebens im Einklang mit Gewöhnlichkeit und Unvollkommenheit. Er wurde mehr und mehr ein Mensch, der gelernt hat, wie man leben kann. Oder war es nur seine altbekannte Nonchalance, in der er es zur Meisterschaft gebracht hat?

20
Frage: Wie soll ich leben?
Antwort: Das Leben sei die Antwort!
Nicht das Ende
    Anfang September 1592 bekam Montaigne wieder eine Nierenkolik. Zunächst sah es so aus, als würde er auch diesmal glimpflich davonkommen, doch dann gab es Komplikationen. Statt dass der Stein abging und ihm ein Gefühl der Erleichterung verschaffte, blieb er stecken. Eine Infektion kam hinzu.
    Sein ganzer Körper begann anzuschwellen, und bald griff die Entzündung auf seinen Hals über, mit eiternden Abszessen, die ihm die Luft abschnürten.
    Die Folge war eine Mandelentzündung, die unbehandelt auch heute noch zum Tod führen kann. Sein Hals war bald so geschwollen, dass er nicht mehr sprechen konnte, aber er blieb bei vollem Bewusstsein und konnte sich schriftlich verständlich machen.
    Drei Tage nach Beginn der Mandelentzündung saß Montaigne aufrecht im Bett, umringt von seiner Familie und den Bediensteten, die ihn beobachteten und warteten. Sein Zimmer wurde jetzt zum Schauplatz jener Sterbeszene, die er stets gefürchtet hatte, jener Rituale, die in seinen Augen den Tod schlimmer machten, als er hätte sein müssen, da sie dem Sterbenden und seinen Besuchern nur Angst einjagten. Ärzte und Priester beugten sich über das Bett, von Trauer gezeichnete Besucher umringten ihn, «Scharen bleicher und verheulter Bedienter, ein Zimmer ohne Tageslicht, brennende Kerzen […] – kurz, um uns herum nur Graus und Schrecken». All das hatte nichts mit jenem schlichten Tod bei dahindämmerndem Bewusstsein zu tun, der ihm immer vorgeschwebt hatte. Doch nun, als es so weit war, unternahm er nichts, um die um sein Bett Versammelten aus dem Zimmer zu weisen.
    Als die Hoffnung auf Genesung schwand, machte er sein Testament. Der Lokalhistoriker Bernard Automne behauptet, Montaigne habe in jenen letzten Tagen «im Nachthemd sein Bett verlassen», um seinen Dienern und anderen Empfängern kleinerer Legate persönlich auszubezahlen, was er ihnen in seinem Testament zugedacht hatte. Dies mag stimmen, aber es passt nicht so recht zu den Beschreibungen des ans Bett gefesselten Montaigne. Keine Schilderung seiner letzten Stunden ist ganz zuverlässig, alle stammen aus zweiter Hand. Relativ wahrheitsgetreu scheint jedoch das Zeugnis seines alten Freundes Étienne Pasquier zu sein. Es basiert auf dem Bericht von Montaignes Frau Françoise, die nicht von seinem Sterbebett wich. Anders als La Boétie vor vielen Jahren schickte Montaigne seine Frau nicht aus dem Zimmer.
    Nachdem er sein Testament niedergeschrieben hatte, ließ Montaigne eine letzte Messe lesen. Er bekam jetzt kaum noch Luft. Pasquier zufolge richtete er sich mit verzweifelter Anstrengung im Bett auf, als der Priester den Leib des Herrn erhob, faltete die Hände und befahl Gott seine Seele: ein letztes Zugeständnis an die katholische Konvention und ein knappes Bekenntnis zu Gott am Ende des Lebens dieses unbekümmert säkularen Mannes.
    Wenig später schwoll die Luftröhre völlig zu. Er starb möglicherweise an einem Schlaganfall, vielleicht erstickte er auch einfach nur. Michel Eyquem de Montaigne verschied im Kreise seiner Angehörigen, Freunde und Bediensteten am 13.

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