Wie soll ich leben?
Lebensgefühl viel zu lernen – und in seinen schwierigsten Phasen fehlte ihm bisher eine montaignische Strategie: das Gefühl für Mäßigung; Geselligkeit und Höflichkeit, die er so liebte; die Urteilsenthaltung und das subtile Verständnis der psychologischen Mechanismen angesichts von Konfrontation und Konflikt. Wir brauchen heute Montaignes Überzeugung, dass keine himmlischen oder apokalyptischen Visionen, keine Allmachtsphantasien auch nur das kleinste Ich in der realen Welt überstrahlen können. Für Montaigne ist «jene sehr alte und von allen Religionen geteilte Auffassung [undenkbar], dass wir denHimmel und die Natur durch Mord und Totschlag besänftigen könnten». Wer glaubt, das Leben könne dies von uns verlangen, verkennt den überragenden Wert der alltäglichen Existenz. Er vergisst, dass ein Welpe, den du in einem Eimer Wasser ertränken willst, oder eine Katze, die gern spielen möchte, dich genauso betrachtet wie du sie: zwei Individuen, die einander Auge in Auge gegenüberstehen und Gutes voneinander erwarten.
Montaignes Katze: Randzeichnung in einem Exemplar von Montaignes «Essais» aus dem Besitz des holländischen Juristen Pieter Van Veen (geboren 1561 oder 1562) und von ihm illustriert, vielleicht als Geschenk an seinen Sohn
Vielleicht gebührt ja Montaignes letzte Antwort seiner Katze, einem Individuum des 16. Jahrhunderts, das auf einem Landgut an der Seite eines liebevollen und aufmerksamen Menschen ein recht angenehmes Leben führte. Sie war es, die ihm, wenn sie in einem unpassenden Moment mit ihm spielen wollte, in Erinnerung rief, was es heißt, am Leben zu sein. Sie blickten einander an, und für einen kurzen Moment übersprang Montaigne jene Grenzlinie, um sich selbst mit den Augen seiner Katze zu sehen. Diese und zahllose ähnliche Momente sind der Ursprung seiner ganzen Philosophie.
Und da sind also nun die beiden, in seiner Bibliothek. Das Kratzen von Montaignes Schreibfeder auf dem Papier weckt die Neugier seiner Katze. Sie berührt mit der Pfote vorsichtig die übers Papier streichende Feder. Er schaut sie an, vielleicht einen Moment lang ärgerlich über diese Störung. Dann lächelt er, neigt die Feder und zieht sie über die Seite. Die Katze macht einen Satz. Ihre Pfoten verschmieren die Tinte der zuletzt geschriebenen Wörter, ein paar Blätter fallen zu Boden. An dieser Stelle können wir die beiden ruhig sich selbst überlassen, ihrem Leben und Montaignes Arbeit an den Essais , und uns wieder unserem eigenen Leben zuwenden – und der unabgeschlossenen Lektüre der Essais .
Dank
Die fünf Jahre meiner Beschäftigung mit Montaigne waren für mich eine außergewöhnliche Zeit, in der ich eine Menge gelernt habe, nicht zuletzt über die Hilfsbereitschaft von Freunden, Wissenschaftlern und Kollegen, die mich in vielfältiger Weise unterstützten.
Mein besonderer Dank gilt Warren Boutcher, Emily Butterworth, Philippe Desan, George Hoffmann, Peter Mack und John O’Brien für ihre freundliche Ermunterung und ihre großzügige Bereitschaft, mir ihre Zeit, ihr Wissen und ihre Erfahrung zu schenken.
Ich danke Elizabeth Jones, die mir wertvolles Material aus ihrem Dokumentarfilm The Man Who Ate His Archbishop’s Liver zur Verfügung stellte, Francis Couturas vom Musée d’Art et d’Archéologie du Périgord in Périgueux, Anne-Laure Ranoux vom Musée du Louvre sowie Anne-Sophie Marchetto von Sud-Ouest .
Viel verdanke ich den Bibliotheken (der Bibliothèque nationale de France in Paris, der Stadtbibliothek Bordeaux, der British Library und der London Library), deren Mitarbeitern ich für ihre fachkundige Hilfe danken möchte.
Ohne die finanzielle Unterstützung der Society of Authors und eine London Library Carlyle Membership hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Beiden Institutionen gilt mein Dank.
Ich danke meiner Agentin Zoë Waldie von Rogers, Coleridge & White, meiner Lektorin Jenny Uglow sowie Alison Samuel, Parisa Ebrahimi, Beth Humphries, Sue Amaradivakara und allen anderen Mitarbeitern des Verlags Chatto & Windus, die an das Buch geglaubt und mitgeholfen haben, es zum Leben zu erwecken.
Für die Lektüre des Manuskripts in den verschiedenen Stadien seiner Entstehung, für ihre klugen Ratschläge und ihre Ermunterung auch in schwierigen Phasen des Projekts danke ich Tündi Haulik, Julie Wheelwright, Jane und Ray Bakewell sowie Simonetta Ficai-Veltroni,die so lange mit Montaigne gelebt und nie den Glauben an ihn (und an mich) verloren hat.
Ich
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