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Wie soll ich leben?

Wie soll ich leben?

Titel: Wie soll ich leben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bakewell
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bewaffnet nach Frankreich geschickt, um die Menschen zu bekehren und den Staat zu destabilisieren. Seit den 1550er Jahren bezeichnete man die französischen Protestanten als Hugenotten. Der Name leitet sich wahrscheinlich von einem frühen Zweig der Reformierten im Exil ab. Er ist eine Verballhornung von «Eidgenossen» und wurde von den französischen Protestanten und ihren Gegnern gleichermaßen benutzt.
    Anfangs reagierte die katholische Kirche auf die protestantische Bedrohung mit inneren Reformen. Als Montaigne aufwuchs, standen die Gewissenserforschung und die Selbstbefragung der Kirche im Zentrum – Anliegen, denen sich religiöse Institutionen in der Regel nicht mit sehr viel Eifer widmen. Gleichzeitig erstarkten jedoch militantere Kräfte. Auch der 1534 von Ignatius von Loyola gegründete Jesuitenorden widmete sich dem ideologischen Kampf. Eine noch fanatischere, allerdings weniger intellektuelle Bewegung, die in Frankreich in den 1550er Jahren als eher lose Gruppe entstand, war die katholische Liga. Deren Mitstreitern ging es nicht um das Übertrumpfen der Häretiker durch schlagkräftige Argumente, sondern um deren Auslöschung mittels brutaler Gewalt. Sie und ihr calvinistisches Pendant standen einander kompromisslos und in fanatischem Glaubenseifer gegenüber. Die Liga stellte sich gegen jeden französischen König, der dem Protestantismus auch nur ein Minimum an Toleranz entgegenbrachte. Diese Opposition wurde im Laufe der Jahrzehnte immer stärker.
    Unter dem Druck der Liga führte Heinrich II. strengere Häresiegesetze ein und gründete eine neue Kammer des Pariser Parlaments zur Verurteilung religiöser Straftaten. Seit Juli 1577 wurden Blasphemie, die Veröffentlichung verbotener Bücher und illegale Predigten mit dem Tod bestraft. Dazwischen jedoch versuchte der König immer wieder, die Hugenotten zu beschwichtigen, ließ in bestimmten Gebieten den protestantischen Ritus zu und reduzierte die Strafe für religiöse Vergehen. Doch jedesmal protestierte die katholische Lobby, so dass er zu neuen Repressionen Zuflucht nahm. Er lavierte hin und her, ohne eines der beiden Lager zufriedenzustellen.
    In diesen Jahren wurde Frankreich auch noch von anderen Problemen bedrängt: einer galoppierenden Inflation, von der der landbesitzende Adel profitierte, der jetzt höhere Pachteinnahmen erhielt und noch mehr Land kaufen konnte, wie es Montaignes Familie über mehrere Generationen hinweg tat. In den weniger begüterten sozialen Schichten schürte die wirtschaftliche Krise den Extremismus: Die sündige Menschheit habe dieses Elend in die Welt gebracht und müsse Gott besänftigen, indem sie der einen, wahren Kirche folge. Aber welche war die wahre Kirche?
    Aus diesen religiösen, wirtschaftlichen und politischen Ängsten und Bedrängnissen erwuchsen die Bürgerkriege, die Frankreich fast das ganze restliche Jahrhundert hindurch beherrschten: von 1562, als Montaigne neunundzwanzig Jahre alt war, bis 1598, ein paar Jahre nach seinem Tod. Vor 1560 wurden die innenpolitischen Spannungen durch militärische Abenteuer vor allem in Oberitalien entschärft. Doch im April 1559 endeten mit dem Frieden von Cateau-Cambrésis schlagartig mehrere Kriege, die Frankreich in Europa geführt hatte. Die sozialen Spannungen verschärften sich, und in einer Phase der wirtschaftlichen Depression wurde Frankreich von Soldaten überflutet, die keine Beschäftigung mehr hatten: Der Frieden ging fast nahtlos in einen noch grausameren Bürgerkrieg über.
    Das erste böse Omen war ein Turnier anlässlich der Feier des Friedensvertrags, an dem auch der König teilnahm, selbst ein begeisterter Turnierkämpfer. Doch dann durchbohrte ein scharfer Holzsplitter des abgebrochenen Lanzenstumpfs seines Gegners sein Visier über dem Auge. Nach ein paar Tagen schien der König auf dem Weg der Besserung, doch ein Splitter war in sein Gehirn eingedrungen. Am vierten Tag bekam er Fieber, am 10. Juli 1559 starb er.
    Die Protestanten deuteten den Tod Heinrichs II. als ein Zeichen Gottes, dass es falsch war, ihre Religion zu unterdrücken. Aber mit dem Tod des Königs wurde für sie alles nur noch schlimmer. Der Thron ging nacheinander an drei seiner Söhne über: Franz II., Karl IX. und Heinrich III. Die ersten beiden waren minderjährig, fünfzehn beziehungsweise zehn Jahre alt. Sie waren schwach und wurden von ihrer Mutter Katharina von Medici beherrscht, und keiner von ihnen konnte den religiösen Konflikt beilegen. Franz II. starb bereits 1560 an

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