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Wie soll ich leben?

Wie soll ich leben?

Titel: Wie soll ich leben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bakewell
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Nîmes, diesmal von protestantischer Seite, ein neuer Krieg ausgelöst.
    Man spricht von «Kriegen», aber genauso gut könnte man von einem einzigen langen Krieg mit kurzen Friedenszeiten dazwischen sprechen. Montaigne und seine Zeitgenossen bezeichneten den Ausbruch immer wieder neuer Kämpfe als troubles , «Unruhen». Es herrscht Konsens, dass es acht solcher «Unruhen» gab. Eine kurze Chronologie vermittelt einen Eindruck davon, wie sehr Montaignes Leben davon geprägt war.
Erste «Unruhe» (1562–1563):
ausgelöst durch das Massaker an Protestanten in Vassy und endend mit dem Frieden von Amboise.
Zweite «Unruhe» (1567–1568):
ausgelöst durch ein Massaker an Katholiken in Nîmes, endend mit dem Frieden von Longjumeau.
Dritte «Unruhe» (1568–1570):
ausgelöst durch neue antiprotestantische Gesetze, endend mit dem Frieden von Saint-Germain.
Vierte «Unruhe» (1572–1573):
ausgelöst durch die Bartholomäusnacht, das Massaker an Protestanten in Paris und anderswo, endend mit dem Frieden von La Rochelle.
Fünfte «Unruhe» (1574–1576):
ausgelöst durch Kämpfe im Poitou und in der Saintonge, endend mit dem Edikt von Beaulieu («Paix de Monsieur»).
Sechste «Unruhe» (1576–1577):
ausgelöst durch antiprotestantische Gesetze der nach Blois einberufenen Generalstände, endend mit dem Frieden von Poitiers.
Siebte «Unruhe» (1579–1580):
ausgelöst durch die protestantische Einnahme von La Fère in der Normandie, endend mit dem Frieden von Fleix.
Achte «Unruhe» (1585–1598):
die bei weitem längste und blutigste; ausgelöst durch die Agitation der Liga, endend mit dem Vertrag von Vervins und dem Edikt von Nantes.
    Jede dieser Auseinandersetzungen folgte einem durch den ersten und zweiten Krieg vorgegebenen Muster: Eine Phase des Friedens wurde durch ein Massaker oder eine Provokation beendet. Schlachten, Belagerungen und allgemeine Not waren die Folge, bis die Schwäche der einen oder anderen Seite zu einem Friedensvertrag führte – und eine neue Provokation den Kreislauf der Gewalt erneut in Gang setzte. Selbst der letzte Friedensvertrag stellte kaum jemanden zufrieden. Aber auch die Fronten verliefen keineswegs immer so klar. An den meisten «Unruhen» waren mindestens drei Fraktionen beteiligt, die sich ihren Einfluss auf den Thron sichern wollten. Es waren Religionskriege, wie sie zur selben Zeit auch in anderen europäischen Ländern stattfanden, aber gleichzeitig auch politische Kriege.
    Das Ende eines außenpolitisch motivierten Kriegs hatte die Bürgerkriege erst ermöglicht, und sie endeten, als Heinrich IV. im Jahr 1595 Spanien den Krieg erklärte. Der positive Effekt dieser Provokation wurde damals durchaus erkannt. Während der letzten «Unruhe» schrieb Montaigne, dass viele auf einen Krieg gegen ein fremdes Land hofften. Die Gewalt müsse wie ein bösartiges Fieber dem Staatskörper entzogen werden. Doch Montaigne zweifelte an der moralischen Richtigkeit dieser Methode. «Den Nachbarn herauszufordern und in einen blutigen Streit zu ziehn, nur weil es einem gerade zupass kommt – ein solch ruchloses Unterfangen würde Gott, davon bin ich überzeugt, niemals gutheißen.» Aber genau einen solchen außenpolitischen Konflikt brauchte Frankreich – und bekam ihn: mit Heinrich IV., dem ersten klugen König, der seit Jahren das Land regierte.
    Doch in den 1560er Jahren, als niemand sich vorstellen konnte, dass der blutige Schrecken der Bürgerkriege so lange dauern könnte, war es bis dorthin noch ein weiter Weg. Montaignes Jahre im Parlament von Bordeaux umfassten den Zeitraum der ersten drei Kriege, doch selbst in Friedenszeiten waren die politischen Spannungen groß. Als der dritte Krieg zu Ende war, hatte Montaigne von seinem Amt genug und war im Begriff, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. Bis dahin aber befand er sich in Bordeaux, wo die Verhältnisse besonders kompliziert waren. Die Stadt stand im Zentrum des politischen Geschehens. Bordeaux, umgeben von protestantischen Territorien, war mehrheitlich katholisch, mit einer bedeutenden protestantischen Minderheit, die den Bildersturm und andere aggressive Akte nicht scheute.
    In der Nacht zum 26. Juni 1562, wenige Monate nach dem Massaker von Vassy, griff ein protestantischer Mob das Château Trompette an, die Bastion der staatlichen Macht. Der Angriff wurde niedergeschlagen, doch wie bei dem Salzsteueraufstand wurde er unverhältnismäßig schwer bestraft. Da die Stadt unfähig schien, ihre Angelegenheiten selbst in den

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