Wie Sommerregen in der Wueste
Celia blickte sich hastig um. Die Nebentische waren nah genug, dass die Gäste dort hätten mithören können. Außerdem hielten sich die Kellner ständig in Hörweite auf. Hier konnte und wollte sie das Thema Kira nicht aufs Tapet bringen, denn sie hatte keine Ahnung, wie Salim reagieren würde.
„Wahrscheinlich hältst du mich für altmodisch.“ Er fuhr sich übers Kinn. „Aber ich bedauere das Scheitern meiner Ehe zutiefst. Wenn ich morgen sterbe, habe ich Dutzende von Luxushotels gebaut, aber niemanden, dem ich das Imperium vererben könnte.“
„Diese Ängste sind doch völlig unbegründet.“ Celia vermied es, ihn anzusehen. „Du wirst noch lange leben und Gelegenheit bekommen, den Erben zu zeugen, den du dir wünschst.“
Noch während sie das sagte, überlegte sie, ob er wohl ein Mädchen als Erbin akzeptieren würde. Eines, das unehelich geboren und eine Ausländerin war. Vermutlich nicht.
„Du hast immer an mich geglaubt“, erwiderte er sanft. „Schade, dass ich deine Erwartungen nicht erfüllen konnte.“
Das unerwartete Eingeständnis rührte sie, und sie hatte plötzlich das Bedürfnis, ihn zu trösten. „Unsinn. Du bist einer der erfolgreichsten Männer auf der Welt.“
„Du hast schon auf dem College behauptet, dass ich einmal wirtschaftlichen Erfolg haben würde. Damals war ich mir da gar nicht so sicher, schon weil mein Englisch nicht halb so gut war wie das meiner Brüder. Ich bin ja zu Hause erzogen worden und nicht in einem englischen Internat. Alles Fremde hat mich verstört.“ Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und sah Celia zärtlich an. „An deiner Seite habe ich mich wohlgefühlt.“
„Nun, zumindest kann ich mir anrechnen, dein Englisch verbessert zu haben. Wir haben ja nächtelang diskutiert.“
„Es gab ja auch viel, worüber wir diskutieren konnten“, bemerkte er, und seine Stimme bekam wieder diesen dunklen, verführerischen Ton.
„Das stimmt. Ich kannte vorher niemanden, der die New York Times von vorn bis hinten tatsächlich durchliest. Und das jeden Tag!“
„Und du hast mir gezeigt, dass das Leben mehr zu bieten hat als das, was in der Zeitung steht.“ Salim lächelte. „Weißt du noch, wie du mich mit in den Zirkus genommen hast?“
Sie lachte. „Wie könnte ich das jemals vergessen! Du hast zu mir gesagt, die Kamele erinnerten dich an zu Hause.“
„Haben sie ja auch. Aber wenn ich mit dir zusammen war, habe ich meine Heimat vergessen. Es galt, neue Welten zu erobern. Gemeinsam mit dir.“
Celia errötete. „Wir waren beide noch unschuldig. Komisch, nicht wahr?“
„Nein, gar nicht. Das erste Mal war für uns beide etwas ganz Besonderes.“
Seine Worte berührten sie tief. „Das stimmt. Aber es war auch lustig, weil wir an die Sache herangingen wie Forscher, bewaffnet mit dem Kamasutra und einer Liste passender Stellungen.“
Salim lachte. „Ja, wir hatten die Tendenz, alles ein wenig zu vergeistigen.“
„Und wir haben uns dabei für so entsetzlich toll gehalten, dass wir geglaubt haben, wir könnten alles verstehen, wenn wir nur lange genug darüber nachdenken und reden.“
„Wie wahr!“ Er warf ihr ein verführerisches Lächeln zu. „Kein Thema war für uns tabu.“
„Außer dass du irgendwann abhauen und eine andere heiraten würdest.“
Das war ihr einfach herausgerutscht. Jetzt, nach so langer Zeit, wagte sie endlich, es auszusprechen. Damals vor vier Jahren, als sie sich so unerwartet wiedergetroffen hatten, war sie von ihren Gefühlen so überwältigt gewesen, dass sie bereit gewesen war, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Jetzt war das anders.
Salim runzelte die Stirn. „Du hast recht. Ich wollte nicht über die Zukunft sprechen, weil es mir wehtat, auch nur daran zu denken.“ Liebevoll betrachtete er ihr Gesicht und ließ den Blick zu ihrem Dekolleté gleiten. „Außerdem hätte es bedeutet, dass du dich sofort von mir trennst.“
Sie hatten nicht oft über seine Familie oder seine Heimat gesprochen. Celia war nicht davon ausgegangen, dass er Heimweh gehabt hatte, denn mehr als ein- oder zweimal im Jahr war er nicht nach Hause gefahren.
Ab und zu verbrachten sie zusammen ein Wochenende bei ihren Eltern, und einmal blieben sie sogar die gesamten Osterferien über dort. Ihre Eltern mochten Salim. Sie waren beide Professoren und hatten viel mit ausländischen Studenten zu tun. Deshalb fanden sie es nicht im Geringsten sonderbar, dass sich ihre Tochter in einen jungen Mann aus Oman verliebt hatte.
Was sie dabei
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