Wie Tau Auf Meiner Haut
Liebesspiel hatte er schätzungsweise eine knappe Stunde
geschlafen. Er hatte ein Geräusch gehört. Was aber war es? Es war ein sehr
leises, noch dazu nicht bedrohliches Geräusch gewesen. Normalerweise hatte er,
wenn er von einem Geräusch geweckt wurde, noch bevor er die Augen ganz
aufgerissen hatte, den Dolch in der einen und das Schwert in der anderen Hand.
Da er aber nicht zu den Waffen gegriffen hatte, witterten seine kampferprobten
Nerven keine Gefahr. Doch es hatte ihn etwas geweckt, und das Geräusch war in
seiner unmittelbaren Nähe gewesen.
Er blickte auf die neben ihm liegende Frau, die im Schlaf schnarchte. Eigentlich
war es nur ein kleines Schniefen. Das jedenfalls war es nicht, was ihn geweckt
hatte.
Sie waren allein in der Kammer, die schwere Tür war gut verriegelt und die
Geheimtür neben dem Kamin fest verschlossen. Robert kündigte sein Kommen
immer vorher an. Niall hatte aber dennoch das Gefühl, als ob jemand im Raum
sei. Er stand so leise und umsichtig auf, dass Eara ungestört weiterschlief.
Obwohl er sehen konnte, dass außer der Frau niemand sonst in der Kammer war,
durchforstete er jeden Winkel und suchte nach einem Geruch, nach einem leisen
Geräusch, nach irgendeinem Hinweis.
Vergeblich. Schließlich legte er sich wieder hin und starrte mit offenen Augen in
die Dunkelheit. Eara schnarchte immer noch leise, was ihn allmählich zu stören
begann. Er hätte sie nach ihrem Liebesspiel aus der Kammer schicken sollen. Er
schlief gerne mit Frauen und genoss die Wärme und Weichheit eines weiblichen
Körpers an seiner Seite, jetzt aber wäre er lieber allein gewesen. Er wollte sich
auf das leise Geräusch konzentrieren, das ihn geweckt hatte. Earas Anwesenheit
aber hinderte ihn daran.
Er versuchte, sich genau an den Laut zu erinnern. Es war ein leises Geräusch
gewesen, eine Art Seufzer.
Jemand hatte seinen Namen gerufen.
1996
Conrad packte den verschmierten Kopf des Penners, bog ihn zurück und
betrachtete das Ergebnis seiner bisherigen Arbeit. Die Augen des Obdachlosen
waren beinahe vollkommen zugeschwollen, seine Nase nur noch ein Haufen
Fleisch, die letzten Schneidezähne waren auch noch ausgefallen. Hierbei handelte
es sich allerdings erst um eine Art Vorbereitung. Die eigentliche
Überredungskunst bestand aus gebrochenen Rippen und zerquetschten Fingern.
»Du hast sie also gesehen und ausgeraubt«, meinte Conrad freundlich.
»Nicht doch, Mann. « Die Worte drangen zermanscht, fast unverständlich aus
dem geschundenen Mund.
Das war aber nicht die Antwort, die Conrad hören wollte. Er seufzte und machte
sich an einem der zerquetschten Finger des Penners zu schaffen. Der brüllte auf,
und sein Körper bäumte sich gegen die ihn an einen Stuhl fesselnden Stricke auf.
»Du hast sie gesehen«, wiederholte Conrad geduldig.
»Wir haben das Geld nicht mehr«, wimmerte der Penner, den der Mut nun
gänzlich verlassen hatte.
»Das Geld ist mir vollkommen egal. Wohin ist die Frau gegangen? «
»Keine Ahnung, wir haben uns sofort aus dem Staub gemacht. «
Conrad dachte nach. Vermutlich sagte der Kerl sogar die Wahrheit. Er blickte auf
den auf dem Stuhl zusammengekrümmten Körper. Schade, dass der junge
Schwarze sein Messer gezückt hatte. Aus dem wäre vielleicht mehr
herauszuholen gewesen als aus diesem Kretin hier. Um sicherzugehen, brach er
dem Penner noch einen Finger und wartete, bis das Wimmern aufgehört hatte.
»Wo ist die Frau hingegangen? « wiederholte er noch einmal.
»Keine Ahnung, echt keine Ahnung«, stammelte der Penner, sich endlos
wiederholend.
Conrad nickte. »Was hatte sie an? «
»Weiß ich nicht... «
Conrad nahm sich einen weiteren Finger vor, und der Kerl brüllte auf. »Nicht
doch, aufhören! « schrie er, während Blut und Schleim aus seiner gebrochenen
Nase rannen. »Es hat geregnet, ihre Kleidung war dunkel... «
»Hosen oder Kleid? « hakte Conrad nach. Es hatte tatsächlich geregnet, und
wenn die Frau die ganze Zeit unter freiem Himmel gewesen war, dann musste
sie jetzt vollkommen durchnässt sein. Seine Frage war ungeschickt gestellt. Es
war unmöglich, dass dem Schwachkopf in der verregneten Nacht die Farbe ihrer
Kleidung aufgefallen wäre.
»Keine Ahnung, Hosen. Vielleicht Jeans, keine Ahnung. «
»Trug sie einen Mantel oder eine Jacke? « Es hatte sich stärker als erwartet
abgekühlt. Die Wärme war für Minneapolis ohnehin ungewöhnlich gewesen,
wogegen die Kälte durchaus der Jahreszeit
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