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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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werden.
    Es entbehrte nicht der Komik, dass sich Grace als problematischer als Ford oder
    Bryant erwies. Wie lange kannte er sie schon? Seit fast zehn Jahren. Sie war
    immer eine graue Maus gewesen. Sie benutzte kein Make-up und trug die Haare
    einfach nach hinten gekämmt, wo sie von einem Gummi zusammengehalten
    wurden. Ein bisschen füllig war sie auch. Dass sie so gar keinen Wert auf ihre
    Aufmachung legte, beleidigte sein Feingefühl. Trotzdem war er mehrere Male
    versucht gewesen, sie zu verführen. Wahrscheinlich hatten ihn die anderen
    Frauen gelangweilt, die kleine Grace mit ihrer lachhaften Bürgermoral aber
    forderte ihn in gewisser Weise heraus. Angeblich liebte sie ihren Ehemann und
    war ihm treu. Aber sie hatte einen perfekten Porzellanteint und den sinnlichsten
    Mund, den er je gesehen hatte. Parrish lächelte versonnen und spürte seine
    wachsende Erregung bei der Vorstellung, was man mit diesen sinnlichen, so

    roten und so weichen Lippen alles machen könnte. Der arme Ford hatte sicherlich
    nicht die nötige Phantasie aufgebracht, um das entsprechend würdigen zu
    können.
    Auf der Straße wäre sie hilflos wie ein Kind. Während der letzten Nacht konnte
    ihr alles mögliche zugestoßen sein. Vielleicht war sie ja bereits tot.
    Diese Lösung würde alle Probleme zufrieden stellend aus der Welt schaffen.
    Dennoch hoffte er, dass sie noch lebte. Die Dokumente waren bei ihr. Wenn
    Conrad sie aufspürte, würde er auch die Dokumente finden. Wenn hingegen
    eines jener kriminellen Elemente, die Nachts die Straßen unsicher machten, sie
    umgebracht hatte, dann würde ihr Computer bei einem Hehler auftauchen, und
    die Dokumente würden im Müll landen. Wenn die Kopien aber erst einmal im
    Rachen der Unterwelt verschwunden waren, würden sie vermutlich niemals
    wieder auftauchen. Sie wären für immer verschwunden und mit ihnen die lang
    ersehnte, entscheidende Information. Die Stiftung wäre hinfällig, und Parrishs
    Pläne würden in Luft aufgehen.
    Das durfte nicht geschehen. Auf welche Art und Weise auch immer, er musste an
    die Dokumente kommen.

    Grace konnte nicht einschlafen. Sie war todmüde, doch jedes Mal, wenn sie die
    Augen schloss, sah sie Ford vor sich, die plötzliche, schreckliche Leere seiner
    Augen, als die Kugel sein Leben auslöschte und er tot auf dem Bett
    zusammenbrach. Es regnete noch immer. Sie hockte in einem Geräteschuppen,
    versteckt hinter einem Rasenmäher, dem ein Rad fehlte, einem schmierigen
    Werkzeugkasten, ein paar rostigen Farbkanistern und einigen vergammelten
    Pappkartons, die die Aufschrift »Weihnachtsdekoration« trugen. Der Verschlag
    war nicht verriegelt gewesen, aber abgesehen von ein paar Schraubenziehern
    und Schraubenschlüsseln war hier auch nichts zu holen.
    Sie wusste nicht genau, wo sie war. Sie war einfach Richtung Norden gelaufen,
    bis sie vor Müdigkeit nicht mehr weiterkonnte. Dann hatte sie in dem
    Geräteschuppen hinter einem Ranchhaus im Stil der fünfziger Jahre Zuflucht
    gesucht. Die Gegend wirkte leicht heruntergekommen, das Mittelklasseambiente
    blätterte bereits ab. Die Garage war leer. Möglicherweise hatte sie Glück, und es
    war keiner zu Hause. Sollte doch jemand zu Hause sein, so hielten sich die Leute
    wegen des Regens im Haus auf. Jedenfalls hielt sie niemand auf, als sie den Hof
    überquerte und die dünne Blechtür öffnete.

    Über das Gerümpel war sie bis in die hinterste Ecke geklettert und hatte sich dort
    auf dem schmutzigen Zementboden niedergelassen. Wie gelähmt kauerte sie da.
    Die Zeit verstrich, aber sie hatte keinerlei Zeitgefühl mehr. Nach einer Weile
    näherte sich ein Auto, mehrere Autotüren wurden zugeschlagen. Ein paar
    quengelige Kinder wurden von einer Frauenstimme ermahnt, ruhig zu sein. Sie
    hörte erst eine Fliegentür quietschen, dann wurde noch eine Tür zugeschlagen.
    Die Geräusche verstummten, denn sie waren jetzt in ihr schützendes Zuhause
    getreten, wo sich ihr ganz normales Leben abspielte.
    Grace legte den Kopf auf die Knie. Sie war unendlich müde, sehr hungrig und
    vollkommen ratlos, was sie als nächstes tun sollte. Man würde Ford und Bryant
    beerdigen, und sie konnte ihnen kein letztes Lebewohl sagen, durfte sie nicht ein
    einziges Mal berühren und ihr Grab nicht mit Blumen bepflanzen.
    Sie schluckte und wiegte sich gepeinigt wie ein Kind vor und zurück. Sie fühlte,
    wie sie in sich zusammensackte, wie sie ihre Selbstherrschung verlor und schlang
    die Arme um sich, als ob sie so alles

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