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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Jahren
    gelebt hatte, sie gänzlich mit Beschlag belegte. Niall sei »von großem Wuchs«
    gewesen, »drei Ellen und fünf Zoll«. Da das Dokument in französischer Sprache
    abgefasst war, entsprach die Maßangabe wohl eher der Brabanter Elle von 69
    Zentimetern als der englischen von etwas über 91 Zentimetern. Die schottische
    Elle von ungefähr einem Meter fünfzehn konnte nicht gemeint sein, denn dann
    hätte der gute Mann drei Meter fünfzig gemessen. Die Brabanter Elle war
    wahrscheinlicher. Dann war er zwar immer noch ein Hüne von über zwei Metern
    gewesen, aber doch kein Monstrum. Im Mittelalter waren die Menschen sehr
    unterschiedlich groß gewesen, je nachdem, wie gut sie während ihrer Kindheit
    ernährt werden konnten. Manche Ritter waren so lächerlich klein gewesen, dass
    ihre Rüstungen aussahen, als wären sie für Kinder angefertigt worden, während
    andere selbst nach modernem Maßstab ausgesprochen stattlich gewesen waren.
    Den Dokumenten zufolge war Niall ein unübertroffener Schwertkämpfer
    gewesen, außerdem in allen Künsten des Waffenumgangs geübt. All die
    Schlachten wurden aufgezählt, in denen er gekämpft hatte, all die Sarazenen
    genannt, die er getötet hatte, und all die Ritter erwähnt, deren Leben er gerettet
    hatte. Grace gewann den Eindruck eines mythischen Helden, eines Herkules, und
    nicht den eines mittelalterlichen Tempelritters, der tatsächlich einmal gelebt
    hatte. Die Ritter des Tempelordens waren zugegebenermaßen ausgezeichnete
    Krieger gewesen, die besten ihrer Zeit, eine Art mittelalterliches
    Sondereinsatzkommando. Doch wenn alle Tempelritter so herausragende Krieger
    gewesen waren, weshalb dann das überschwängliche Lob für diesen Niall von
    Schottland? Das Dokument war von einem Mitglied des Tempelordens verfasst
    worden. Es war denkbar, dass Außenstehende von dem großen Ritter enorm
    beeindruckt waren, aber innerhalb des Ordens hätte man seine Leistungen doch
    eigentlich als selbstverständlich ansehen müssen. Die Verherrlichung nur eines
    ihrer Mitglieder schien wenig wahrscheinlich. Plötzlich brach der Text ab. Es
    folgte eine Art Brief, den ein gewisser Valcour unterschrieben hatte. Er sorgte
    sich um die Sicherheit eines »Schatzes«, der wertvoller als Gold sei. Er betonte,
    der Schutz dieses Schatzes sei von allergrößter Wichtigkeit.

    Ein Schatz. Grace dehnte sich, um ihre Schultern zu lockern. Sie wusste nicht,
    wie lange sie schon am Computer arbeitete, ihre Füße jedoch waren
    eingeschlafen, und die Muskulatur an Schultern und Nacken schmerzte. Als sie
    bei Kristian gewesen war, war dort ebenfalls von einem Schatz die Rede
    gewesen. Da sie jedoch nach Niall von Schottland gesucht hatte, hatte sie diese
    Passage nur grob überflogen. Sie erinnerte sich, dass der Tempelorden große
    Reichtümer besessen hatte, dass sogar Könige und Päpste dort Anleihen
    gemacht hatten. Der Schatz des Tempelordens hatte natürlich aus Gold
    bestanden, wie also konnte der in dem Dokument erwähnte Schatz »wertvoller«
    als Gold sein?
    Bisher hatte sie durch ihre angespannte Konzentration die Müdigkeit in Schach
    halten können, nun aber begann sie sich schwer auf ihre Glieder zu legen. Ihre
    Hände fühlten sich mit einem Mal schwer wie Blei an. Sie stellte das Programm
    ab, ließ die Diskette herausspringen und steckte sie wieder in die Schutzhülle
    zurück. Sie schaltete den Computer ab und lehnte sich zurück. Aufstöhnend
    streckte sie ihre beinahe tauben Glieder. Die plötzliche Bewegung jagte einen
    heftigen Schmerz durch ihren Körper.
    Mühsam rückte sie zur Seite und ließ sich gegen die Kartons mit dem
    Christbaumschmuck sinken. Sie merkte noch, wie sie einschlief und ihr
    Bewusstsein wie von einem schweren, schwarzen Tuch verhängt wurde. Sie war
    froh darüber, denn sie brauchte dringend Schlaf. Ihre Augenlider waren zu
    schwer, um sie auch nur noch einen Augenblick länger offen halten zu können.
    Ihr letzter Gedanke war Niall, einen Augenblick hatte sie das Bild eines riesigen
    Ritters in voller Rüstung vor Augen, der ein fast zwei Meter langes Schwert
    schwang, während rechts und links die Feinde vor ihm in die Knie sanken. Aber
    dann schwemmte sie die undurchsichtige Flut des Schlafes fort.

    1322

    Sechshundertundvierundsiebzig Jahre früher erwachte Niall in wachsam
    angespanntem Zustand und hob seinen Kopf vom Kissen. Eine einsame Fackel
    brannte in der Halterung, und das Kaminfeuer war fast heruntergebrannt. Nach
    dem kräftezehrenden

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