Wie Tau Auf Meiner Haut
eben ihre Bäuche gefüllt hatten. Ihre
Flamme verstärkte den goldenen Schimmer des Feuers. Abgesehen davon lag
das angenehm warme Gemach im Dunkeln. Keine Zugluft drang durch die
Mauern, um die Luft mit ihrem eisigen Atem zu bewegen. Die Ritzen waren
sorgfältig mit Ton verschmiert und die Wände mit schweren Behängen verkleidet
worden. Die massive Tür zu Nialls Kammer war fest verriegelt. Trotzdem
sprachen die beiden Männer nur leise und auf französisch miteinander. Sollten
sie dennoch von jemandem belauscht werden, würde man sie nicht verstehen
können. Anders als die meisten Adligen sprach keiner der schottischen Diener
französisch. Und hier draußen, in dieser alles abweisenden Festung in einem der
entlegensten Winkel der schottischen Highlands, mussten sie sich ohnehin nur
um die Dienerschaft und die bewaffneten Männer Gedanken machen.
Beide hielten schwere Kelche mit französischem Wein in den Händen. Robert
nippte nachdenklich daran. Er hatte sich auf einem riesigen, geschnitzten Stuhl
niedergelassen, während Niall eine schwere Bank herangezogen und sie so vor
das Feuer gerückt hatte, dass er mehr den Besucher als die Flammen ansah.
Robert beobachtete die tanzenden Flammen und trank von dem Wein. Als er sich
wieder Niall zuwandte, brauchte er einen Augenblick, ehe sich seine Augen
wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass Niall
seine Bank aus diesem Grund so gestellt hatte. Sogar hier, in seiner eigenen
Burg, in seiner eigenen Kammer und mit seinem eigenen Bruder war Nialls
Instinkt der eines Kriegers. Er hatte sichergestellt, dass nichts seine Sicht
behindern würde. Sollte er unvermutet von einem Feind überrascht werden,
dann würde er jedenfalls nicht durch mangelndes Licht behindert sein.
Bei dieser Erkenntnis musste Robert leicht lächeln. Nach jahrelangen Kämpfen
gegen die Engländer hatte auch er gelernt, seine nächtliche Sicht durch nichts zu
beeinträchtigen. An diesem sicheren Ort jedoch hatte er sich etwas Entspannung
gegönnt. Nicht so Niall. Der entspannte sich niemals, sondern war zu jeder Zeit
wachsam.
»Haben denn manche der Ritter auch woanders Unterschlupf gesucht? «
»Nein. Sie bleiben hier, weil es kein anderes sicheres Refugium gibt. Aber sie
wissen, dass sie bald weiterziehen müssen, denn allein ihre Zahl würde die
Aufmerksamkeit auf Creag Dhu lenken, was sie ja selbst vermeiden wollen. «
Niall blickte seinen Bruder mit bohrendem dunklem Blick an. »Ich frage nicht um
meinetwillen, um ihretwillen aber muss ich es fragen: Beabsichtigst du, Clemens'
Edikt gegen uns anzuwenden? «
Robert wich entsetzt zurück. »Wie kannst du das fragen! « knurrte er. Er war
wütend genug, um dabei ins Keltische zurückzufallen. Nialls Blick aber war
unnachgiebig, und nach einem Augenblick hatte Robert sich wieder unter
Kontrolle.
»Du brauchst eine Allianz mit Frankreich«, erläuterte Niall ruhig. »Sollte Philipp
meine Identität herausfinden, würde ihn nichts davon abhalten können, mich zu
seinem Gefangenen zu machen. Dafür würde er sogar seine Kräfte mit denen
von Edward vereinen. Das aber kannst du nicht riskieren. « Niall hatte es
unerwähnt gelassen, dass Schottland die Allianz brauchte. Die Unterscheidung
war allerdings überflüssig, denn sein Bruder war Schottland, die Personifizierung
all seiner Hoffnungen und Träume.
Robert atmete tief und sich beruhigend ein. »Nun ja«, gab er zu. »Das wäre eine
empfindliche Schlappe. Aber ich habe bereits drei Brüder an Englands Barbarei
verloren. Meine Frau, meine Tochter und unsere Schwestern sind bereits seit drei
Jahren dort gefangen, und ich weiß nicht, ob ich sie jemals lebend wieder sehen
werde. Dich will ich nicht auch noch verlieren. «
»Du kennst mich doch kaum. «
»Es ist wahr, dass wir nicht viel zusammen gewesen sind. Aber ich kenne dich«,
widersprach Robert. Er kannte und liebte ihn, so einfach war das. Keiner der
anderen Brüder hätte ihm die Krone streitig machen können. Seit der Zeit aber,
als Niall ein groß gewachsener, kräftiger Zehnjähriger gewesen war, waren sich
sein Vater und Robert darüber im klaren gewesen, dass der uneheliche
Halbbruder das Zeug zum König hatte und dass er ungewöhnlich großen Mut und
Verstand besaß, zwei Eigenschaften, die auch zu Roberts Charaktereigenschaften
zählten. Um Schottlands willen durften sie keinen Kampf zwischen den beiden
Brüdern entstehen lassen. Selbst wenn
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