Wie Tau Auf Meiner Haut
und aufgeschossen,
schlau und draufgängerisch gewesen. Kurz, er vereinte alle Eigenschaften eines
großen Herrschers und Königs. Die Alternativen waren klar gewesen: entweder
ihn umzubringen oder es ihm unmöglich zu machen, die Thronfolge anzutreten.
Niall wurde von seinem Vater und seinem Halbbruder geliebt, also hatte es
bezüglich der anstehenden Entscheidung überhaupt keinen Zweifel gegeben. Der
junge Mann würde in den Dienst Gottes treten müssen.
Das war ein ausgesprochen kluger Schachzug gewesen. Denn sollte Niall seine
Gelübde gegenüber dem Tempelorden jemals widerrufen, würde er sich
gleichzeitig für die Krone untragbar machen, denn er wäre entehrt. Den jungen
Niall dem Schutz des Tempels zu unterstellen hatte ihm das Leben gerettet.
Gleichzeitig konnte er nicht mehr als schottischer Thronfolger gehandelt werden -
jedenfalls nicht unter den gegebenen Umständen.
Wenn Niall schon nicht für den Thron vorgesehen war, so eignete er sich doch
vorzüglich zum Krieger. Er hatte seine Fleischeslust in Tapferkeit auf dem
Schlachtfeld verwandelt. Wenn sein Blick auch manches Mal an etwas
Verbotenem hängen blieb, so war sich der Großmeister doch sicher, dass er seine
Gelübde niemals gebrochen hatte, denn er war ein Mann, der zu seinem Wort
stand. Dieser Charakterzug zusammen mit seinen kämpferischen Fähigkeiten
hatten de Charnay schließlich dazu bewogen, Niall als den nächsten Schutzpatron
auszuwählen. Wenn auch der Großmeister dem Orden vorstand, so war doch de
Charnay unbestritten der einflussreichste Ritter. Außerdem hatte de Charnay die
Verantwortung für den Schatz viele Jahre lang getragen, weshalb er in dieser
Angelegenheit denn auch das letzte Wort haben sollte. Seine Wahl fiel auf Niall
von Schottland, und Valcour hatte dem von ganzem Herzen zugestimmt. Der
Schotte würde den Schatz unter Einsatz seines Lebens verteidigen.
»Schwöre«, flüsterte Valcour dem gebückten schwarzen Schopf zu. Er spürte die
Wut des jungen Mannes, wusste aber nicht, wie er sie hätte mildern können.
»Ganz gleich, was auch passiert, der Schatz darf niemals in fremde Hände fallen.
Der Orden hat sich dem Schütze unseres Gottes anvertraut, und seine Anhänger
dürfen in ihrer Pflicht niemals versagen. «
Den kalten harten Steinfußboden unter seinen Knien bemerkte Niall kaum. Auf
seinem dichten, schwarzen und vorschriftsmäßig geschnittenem Haar glitzerte
trotz der Kälte der Schweiß. Dampf stieg von seinem Körper auf. Langsam hob er
den Kopf. Seine Augen hatten einen bitteren Glanz. »Auch heute noch? « fragte
er mit tiefer, samtiger Stimme.
Valcour lächelte kaum merklich. »Gerade heute. Wir dienen Gott, nicht Rom. Mir
scheint, der Heilige Vater hat vergessen, dass es da zu unterscheiden gilt. «
»Der zugrunde liegende Gedanke sollte ihm leicht verständlich sein«, erwiderte
Niall verächtlich. »Er dient nicht Gott, sondern leckt lieber Philipps Hinterteil,
wann immer der König ihm dieses entgegenstreckt. « Nialls Nachtschwarzer Blick
wanderte über die Sammlung der Kultgegenstände, die die Ritter vor mehr als
hundert Jahren aus dem Tempel in Jerusalem mitgebracht hatten. Er betrachtete
sie mit wachsender Verbitterung. Gute Männer waren eines grausamen Todes
gestorben, um diese... Dinge zu beschützen. Der König von Frankreich war ganz
erpicht darauf, den Orden seiner irdischen Güter, wie Gold und Silber, zu
berauben. Aber das Geheimnis des Ordens beruhte eben gerade auf diesen
Dingen und nicht nur auf Gold. Sicher, Gold war reichlich vorhanden - und es lag
bei Niall. Seine eigentliche Aufgabe aber war die, die Sicherheit des tatsächlichen
Schatzes zu gewährleisten, diese irritierende und magische Ansammlung von...
Dingen. Ein ganz einfacher, zerkratzter Kelch. Ein Tuch, dem ein Geheimnis in
den Stoff gewebt war. Ein Thron, verstörend und heidnisch - war das wirklich nur
ein Thron? Eine Art Fahne, trotz ihres Alters dicht und schön, die laut
Überlieferung eine merkwürdige Kraft in ihren alten Fasern verborgen halten
sollte. Und eine altertümliche Schriftrolle, halb hebräisch, halb griechisch, die von
einem Geheimnis und einer jenseits aller Vorstellung liegenden Macht kündete.
»Ich könnte noch einmal in den Kampf zurückkehren«, sagte Niall und dachte
dabei an das Schriftstück. Er hob seinen unerbittlichen Kämpferblick zu Valcour
empor. »Sowohl Philipp als auch Clemens könnten unter meinem Schwert fallen.
Die ganze
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