Wie Tau Auf Meiner Haut
fragte er zweifelnd. »Fünf? «
»Fünf sind zur Zeit hier auf der Burg«, erwiderte Niall. »Aber Hunderte sind noch
auf der Suche nach einem Unterschlupf. «
Hunderte. Niall schlug ihm vor, Schottland zu einem Refugium für die
entkommenen Ritter zu machen, die über ganz Europa verteilt nach Verstecken
suchten. Wenn man sie festnahm, so hatten sie die Wahl, entweder die ihrigen
zu verraten oder nach vorangegangener Folter auf dem Scheiterhaufen verbrannt
zu werden. Einige unter ihnen hatten sogar trotz ihrer Gefügigkeit ihr Leben
lassen müssen.
»Kannst du sie denn hierher bringen? «
»Das kann ich. « Niall erhob sich von der Bank und stand mit seinem breiten
Rücken dem Feuer zugewandt. Seine mächtigen Schultern warfen einen riesigen
Schatten auf den Fußboden. Sein dichtes schwarzes Haar fiel auf seine Schultern
herab. Nach keltischem Brauch hatte er zu beiden Seiten des Gesichts zwei
kleine Zöpfchen geflochten. In seinem Jagdschottenrock, dem weißen Hemd und
mit dem Schwert in seinem breiten Gürtel sah er durch und durch wie ein
ungestümer Hochländer aus. Mit grimmigem Gesichtsausdruck meinte er: »Ich
kann sie allerdings nicht bis zu dir hin begleiten. «
»Das ist mir klar«, erwiderte Robert leise. »Das würde ich auch nicht von dir
verlangen. Ich möchte keine Details erfahren, aber ich weiß, dass du dich in
größerer Gefahr befindest als jene, denen du helfen möchtest. Und das nicht nur,
weil du mein Bruder bist. Mit welcher Aufgabe auch immer dich der Orden
beauftragt hat, sie könnte von keinem geringeren Mann als dir erfüllt werden.
Wenn du meine Hilfe brauchst oder die der Ritter, die du mir unterstellen
möchtest, so musst du mich nur benachrichtigen. «
Niall machte eine knappe Kopfbewegung, die seine Zustimmung ausdrücken
sollte. Und doch wusste Robert, dass das niemals geschehen würde. Niall hatte
sich hier, in dem wildesten, entlegensten Teil der Highlands, den nordwestlichen
Gebirgen, eine Burg errichtet, die er gegen jede Bedrohung verteidigen würde. Er
hatte eine starke Truppe disziplinierter Ritter und Bewaffneter, die Creag Dhu in
eine gefürchtete Festung verwandelt hatten.
Die Leute auf dem Land tuschelten bereits darüber, und viele zogen näher an
Creag Dhu heran, um so unter seinem Schutz zu stehen. Sie nannten ihn den
Schwarzen Niall. In Schottland bezeichnete man jeden mit dunklen Haaren als
schwarz. Den Gerüchten zufolge wurde Niall aber nicht nur seiner schwarzen
Augen und Haare wegen so genannt, sondern auch wegen seines Herzens.
Robert, der von Nialls Herkunft wusste, erkannte die Ähnlichkeit zwischen seinem
Halbbruder und seinem eigenen besten Freund, Jamie Douglas, dem berühmten
Schwarzen Douglas.
Die zufälligen Übereinstimmungen sowohl des Namens als auch der Haarfarbe
hatten ihn stutzig gemacht. Nialls Mutter war eine Douglas gewesen, und er und
Jamie waren Cousins. Jamie war groß und breitschultrig, allerdings nicht ganz so
kräftig gebaut wie Niall. Wenn man sie zusammen sehen würde, würde die
Ähnlichkeit auffallen? Würde man dann sehen, dass Niall die körperliche Stärke
eines Bruce besaß und zusätzlich noch die Schönheit von Nigel, einem weiteren
Halbbruder Nialls?
Das Blut der Bruces und der Douglas' hatte sich in Niall zu einem Mann
ungewöhnlichen Aussehens und ungewöhnlicher Kraft vereinigt. Er war die Art
von Mann, die nur alle hundert oder zweihundert Jahre einmal geboren wurde.
Zu seiner eigenen Sicherheit und für das Gelingen der von dem zerbrochenen
Orden auferlegten Mission durfte niemand erfahren, dass der berüchtigte
Schwarze Niall einerseits der geliebte Halbbruder des Königs von Schottland und
andererseits der uneheliche Sohn der wunderschönen Catriona Douglas war.
Denn Catrionas Mann lebte noch und würde nichts unversucht lassen, den
lebenden Beweis der Untreue seiner Frau zu ermorden.
Außerdem war Niall Mitglied des Tempelordens, somit von der Kirche
ausgeschlossen und vom Papst mit dem Tod bedroht, sollte er jemals gefangen
werden. Oberflächlich betrachtet war seine Existenz durchaus gefährdet.
Auf der anderen Seite würde nur ein Dummkopf versuchen, Creag Dhus Abwehr
zu durchbrechen. Der Orden hatte eine gute Wahl getroffen.
Robert seufzte. Er musste die Zurückgezogenheit seines Bruders akzeptieren und
sein eigenes Königreich den vielen verstreuten Rittern als sicheren Hafen
anbieten. Angesichts des Gewinns, den Schottland daraus ziehen würde, war
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