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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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und Österreicher – als manch anderes Land im Rest der Welt, dessen Staatsfinanzen viel unsolider waren. Und warum der Krisenvirus von Griechenland auf Portugal auf Irland übersprang, auf Zypern und Slowenien, bis es irgendwann auch die großen Länder Spanien und Italien erwischte, ohne dass sich dort Nennenswertes zum Negativen geändert hatte.
    »Wäre es gelungen, die Zinsen auf griechische Staatsanleihen anfangs bei drei oder vier Prozent zu halten, hätte es die Kriseneskalation gar nicht gegeben«, sagt Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Was auch modernere Theorien zur Funktionsweise von Finanzmärkten nahelegen. Danach kann es bei ein und derselben Schuldenlage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, erklärt Princeton-Ökonom Markus Brunnermeier: solche, bei denen bei aufkommenden Schwierigkeiten die Absturzängste eskalieren, die Zinsen enorm steigen – und der Anstieg der Zinsen die Panik bestätigt (bei zehn oder zwanzig Prozent Zinsen müsste auch der deutsche Finanzminister Konkurs anmelden). Und solche, bei denen die Panik früh gestoppt wird, dieZinsen deshalb niedrig bleiben und sich die Lage finanziell in den Griff kriegen lässt. Beides mögliche Marktergebnisse. Fachleute reden da von »multiplen Gleichgewichten«. Bei der ersten Variante heißt das: Euro-Kriseneskalation. Bei der zweiten hätte das Debakel womöglich rasch eingefangen werden können.
    All das macht fürs Krisenmanagement einen großen Unterschied. Gilt das Schwäbische-Hausfrauen-Theorem, durften Kredite nur unter strengen Auflagen und gegen harte Austeritätspolitik vergeben und mussten möglichst abschreckende Zinsen erhoben werden – wie es die Bundesregierung durchsetzte. Dann ist es richtig, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble im Dezember 2009 (erst einmal) die Parole ausgab, es gebe keine Hilfen für Griechenland, das Land müsse sich selbst helfen. Dann ist es auch richtig, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zu recht noch bis ins Frühjahr dagegen stemmte, einem Kreditpaket zuzustimmen. Dann durfte nie der Eindruck entstehen, Griechen (und andere) könnten sich der Hilfe sicher sein. Weil sonst ja der Druck schwinde. Weshalb Merkel und Schäuble allen Rettungsschirmen immer erst (dann doch) zustimmten, als sie keine Wahl mehr hatten, und die Krise wie Anfang Mai 2010 so eskalierte, dass sich Banken kein Geld mehr gaben – und das Finanzsystem zu kollabieren drohte.
    Wenn die Krise dagegen der Logik einer typischen Finanzpanik folgte, hätte fürs Management das Gegenteil vom SHT gelten müssen – so abwegig das klingen mag. Dann ging es vor allem um Vermeidung von Marktdysfunktionalitäten. Dann hätte erst gar kein Zweifel an der Zahlungsfähigkeit eines Landes aufkommen dürfen. Dann war es fatal, mit den ersten Hilfen zu warten – weil verunsicherte Anleger, die südeuropäische Anleihen hielten, darauf nur noch panischer reagierten und dies die Panik eskalieren ließ. Dann war es kontraproduktiv, jede Hilfe an viele Bedingungen (also Unsicherheit) zu knüpfen – für zappelige Investoren nur weiterer Anlass, Geld abzustoßen.
    In so einer Vertrauenskrise war es nicht gut, den Griechen noch Strafzinsen aufzubrummen, die das Zurückführen der Schulden nur schwerer machten. Oder ihnen immer neue Ausgabenkürzungen und höhere Steuern aufzuerlegen, die nur dazu führten, dass die Wirtschaftnoch mehr einbrach und die Steuereinnahmen abnahmen, was es dem Finanzminister erschwerte, die Schulden in den Griff zu kriegen. Die griechische Wirtschaft schrumpfte in drei Jahren um 20 Prozent, das macht jedes Konsolidierungsbemühen zur Farce.
    Dann wird klar, warum noch so viele neue Sparpakete und neue Regierungschefs nicht halfen und die Krise nur schlimmer wurde. Ganz offenbar hatten Kanzlerin und oberste Währungshüter die Eigendynamik von Finanzmärkten in solchen Krisen falsch eingeschätzten – und damit zur Eskalation maßgeblich beigetragen.
    »In so einer Krise hilft nur eins«, sagt Charles Wyplosz von der Universität Genf, »eine letzte Instanz, die das System sichert. So wie das bei typischen Bankenkrisen der Fall ist. Wenn der Vertrauensverlust zur Panik wird und die Leute zur Bank rennen, um ihr Geld abzuholen, kollabiert das System, weil alle Banken sofort pleite sind. Dann ist es zu spät. Daher gibt es als Lehre aus Bankenkrisen ja auch Einlagensicherungsfonds, die so eine Panik gar nicht aufkommen lassen – weil sie den Sparern zusichern, ihr Geld zurückzubekommen. Nicht weil man davon

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